Politik der Differenzierung in den EU-israelischen Beziehungen
Die EU muss mehr Maßnahmen ergreifen, damit die israelischen Siedlungsgebiete nicht von den bilateralen Beziehungen zwischen der EU und Israel profitieren
Um die Zweistaatenlösung offen zu halten, muss die EU-Politik stärker zwischen Israel und den israelisch besetzten Gebieten unterscheiden
Laut einem neuen Bericht des ECFR muss die EU stärker als bisher daran arbeiten, dass die israelischen Siedlungen nicht von den bilateralen Beziehungen zwischen der EU und Israel profitieren.
In „EU differentiation and Israeli settlements“ argumentieren Hugh Lovatt und Mattia Toaldo, dass die Selbstverpflichtung der EU zur Nicht-Anerkennung der israelischen Besiedelung des Westjordanlands zu einem rechtsgeleiteten Konsens über eine Politik der Differenzierung führt.
Eine solche Politik gibt den Europäern in ihrer Beziehung zu Israel auch ein starkes Druckmittel hinsichtlich einer Zweistaatenlösung an die Hand: Indem die europäische Politik tatsächlich zwischen Israel und besetzten Gebieten unterscheidet und nicht nur die israelische Politik in diesem Gebiet kritisiert ändert sie die regionale geopolitische Dynamik, die Israels Beharren auf dem status quo bestimmt. Neben dem verstärkten Einsatz einer sprachlichen und politischen Unterscheidung, muss die EU deutlich machen, dass es sich bei diesem differenzierten Ansatz – entgegen Israels Darstellung – nicht um einen Boykott handelt.
Lovatt und Toaldo mahnen außerdem an, dass die EU-Staaten bei dieser Differenzierung stärker an einem Strang ziehen müssen. Dafür sollte die Kommission überprüfen, ob in den EU-Beziehungen mit Israel zwischen Israel einerseits und den Siedlungen andererseits unterschieden wird. Europäische Unternehmen sollten auch verstärkt auf die möglichen rechtlichen und finanziellen Konsequenzen hingewiesen werden, die Wirtschaftsgeschäfte mit israelischen Unternehmen und Einrichtungen in den besetzten Gebieten nach sich ziehen könnten.
Die Autoren schlagen des Weiteren vor, die Politik der Differenzierung auf Bereicheauszuweiten, die gegenwärtig noch nicht von ihr erfasst sind: z.B. Finanztransaktionen europäischer Banken mit israelischen Banken und Unternehmen, die steuerrechtliche Klassifizierung von israelischen gemeinnützigen Einrichtungen in der EU und die Anerkennung von Dokumenten, die von israelischen Behörden in den Besetzen Gebieten herausgegeben werden.
Mattia Toaldo, Policy Fellow und Co-Autor von „EU differentiation and Israeli settlements“:
„Über Jahre hinweg verfolgt die EU nun schon de facto einen Prozess der Differenzierung, aber sie hat sich gescheut dies so zu nennen. Es ist an der Zeit, sich zu dieser Politik zu bekennen und sie zu verteidigen. Denn solange Israel nicht die gleiche Unterscheidung macht oder seine Siedlungspolitik beendet, ist die EU gesetzlich zu einem solchen Ansatz verpflichtet.“
„Neben dieser rechtlichen Verpflichtung, gibt es auch einen starken politischen Anreiz für eine solche Politik. Eine konsequente Differenzierung zwischen Israel und den besetzen Gebieten könnte Israel dazu bewegen von seiner jetzigen Position abzurücken und so die Grundlage für einen Friedensprozess in der Region bilden.“
„Beim Treffen des Rates für Auswärtige Angelegenheiten bekräftigten die EU-Außenminister diese Woche erneut, dass sie weitere Maßnahmen ergreifen werden, um die Option einer Zweistaatenlösung offen zu halten. Mit der Politik der Differenzierung steht dafür bereits ein fertiges Konzept zu Verfügung, dass Effektivität bewiesen hat und auf einer soliden rechtlichen Grundlage aufbaut.“
Der European Council on Foreign Relations vertritt keine gemeinsamen Positionen. ECFR-Publikationen geben lediglich die Ansichten der einzelnen Autor:innen wieder.