Europas neue Anti-Terror-Kriege: Welche Staaten engagieren sich wie?

Europas Einsatz im Krieg gegen den Terror verhindert keine Anschläge in Europa und wirft rechtliche Fragen auf

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Für den „globalen Krieg gegen den Terror“ hat Europa die USA oft und viel kritisiert. Gleichzeitig bauen EU-Staaten ihre militärische Hilfe für Krisen-Staaten beim Kampf gegen den internationalen Terrorismus aus. Ein neuer Bericht des European Council on Foreign Relations (ECFR) gibt eine Übersicht, welche EU-Länder im Irak, in Syrien, Libyen oder der Sahelzone militärisch aktiv sind. Der Autor des Berichts, Anthony Dworkin, stellt allerdings die rechtliche Grundlage und die Effektivität dieser Einsätze in Frage.

Counter-terror activities of main European actors across all theatres

 

Die Rechtmäßigkeit europäischer Einsätze

Angeführt von Frankreich und Großbritannien unterstützen europäische Staaten die internationale Allianz gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“: Die Aktivitäten reichen von Luft- und Drohnenangriffen über die Bereitstellung militärischer Ausrüstung, Waffen und Munition bis hin zu militärischen Ausbildungsmissionen oder der Beteiligung an UN-Friedenseinsätzen.

An den Militärschlägen gegen den „IS“ in Syrien zeigt sich der Wandel der europäischen Position. Noch im Jahr 2014 erklärte etwa ein niederländischer Regierungsmitarbeiter, dass es „momentan kein internationales Mandat“ für Friedenseinsätze gäbe, weil die syrische Regierung einer militärischen Intervention europäischer Staaten auf seinem Staatsgebiet nicht zugestimmt habe. Dennoch fingen die Niederlande ab 2016 an, sich an den Luftschlägen gegen den „IS“ in Syrien zu beteiligen.

Rechtlich umstritten bei den Auslandseinsätzen ist auch die Berufung auf bewaffnete Selbstverteidigung nach Artikel 51 der UN-Charta. Dieses Recht besteht ausschließlich „im Falle eines bewaffneten Angriffs“. Diese Voraussetzung ist jedoch nicht offensichtlich gegeben, wenn europäische Streitkräfte gegen Terrormilizen im Ausland vorgehen, die keinen direkten Bezug zu Angriffen in Europa (gehabt) haben.

Europäische Staaten haben ihre Rechtsauslegung in Richtung einer großzügigeren Interpretation des Völkerrechts verschoben. Damit könnten die EU-Staaten einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen, warnt Anthony Dworkin, Senior Policy Fellow beim ECFR:

“Wenn europäische Staaten militärisch gegen externe bewaffnete Gruppen vorgehen ohne klare Standards für diese Gegenschläge zu setzen, erleichtert dies China und Russland, Militärangriffe zu rechtfertigen, die sie gegen vermeintliche Terroristen führen. Dies könnte fatale Auswirkungen auf Europas Bemühungen haben, internationale Rechtsstaatlichkeit zu fördern.“

 

Der strategische Wert von Anti-Terror-Einsätzen

Europäische Anti-Terroreinsätze bergen zudem die Gefahr ineffektiv und sogar kontraproduktiv zu sein. Die Luftangriffe, die Frankreich seit September 2015 in Syrien geflogen hat, haben zu keiner Verringerung der terroristischen Bedrohung durch den „IS“ in Europa geführt. Stattdessen kam es im November 2015 in Paris und im März 2016 in Brüssel zu den ersten Anschlägen mit hohen Opferzahlen.

Militärschläge gegen Terrorgruppen können nur dann Erfolg haben, wenn sie zu einer weitrechenden politischen Lösung beitragen. Stattdessen haben militärische Interventionen lokale Spannungen eher befördert und neuen Extremismus auf den Plan gerufen.

Der Autor des Berichts, Anthony Dworkin, erklärt: „Luftangriffe dienen oft mehr dem Zweck, die politischen Interessen Europas durchzusetzen, als dass sie tatsächlich ein effektives Mittel sind, um zukünftige Terroranschläge zu verhindern.“

Obwohl der „IS“ mittlerweile zum Rückzug gezwungen ist, muss die Gefahr ernst genommen werden, die weiterhin von dschihadistischen Gruppen in der Region ausgeht. Die EU-Staaten sollten, unter Berücksichtigung ihrer strategischen, rechtlichen und politischen Erwägungen, umfassende Richtlinien erstellen, wann und wie sie militärisch gegen Terrorgruppen vorgehen, empfiehlt Dworkin.

Der European Council on Foreign Relations vertritt keine gemeinsamen Positionen. ECFR-Publikationen geben lediglich die Ansichten der einzelnen Autor:innen wieder.