Der Charme falscher Versprechungen – Ein EU-Türkei Power Audit
Neue ECFR Studie zeigt die Wahrnehmung der Türkei in den 28 EU-Staaten
Neue ECFR Studie zeigt die Wahrnehmung der Türkei in den 28 EU-Staaten
Das neue EU-Türkei Power Audit zeigt, welche unterschiedlichen Motivationen die 28 EU-Mitgliedsstaaten haben, mit der Türkei zusammenzuarbeiten. Die Studie „The Discreet Charm of Hypocrisy: An EU-Turkey Power Audit“ hebt die Faktoren hervor, die den EU-Beitrittsprozess der Türkei empfindlich gestört haben.
Während die europäische Öffentlichkeit den EU-Beitritt der Türkei entschieden ablehnt, wollen europäische Beamte, Diplomaten und Entscheidungsträger den derzeitigen Schwebezustand beibehalten. Asli Aydıntaşbaş, Autorin der am 26. März veröffentlichten Studie, empfiehlt den Fokus weg vom Beitrittsprozess hin zu bilateralen Beziehungen zu lenken und stattdessen die Zusammenarbeit etwa bei der Terrorismusbekämpfung und dem Menschenrechtsdialog im Europarat zu stärken.
Das EU-Türkei Power Audit des ECFR zeigt:
- 46% der befragten EU-Entscheider gaben an, dass ihre Regierung „die Mitgliedschaft der Türkei in der EU unterstützt“, während weitere 25% angaben, dass es „starke Unterstützung“ für die Mitgliedschaft der Türkei in ihren Regierungen gibt.
- 16 der 28 EU-Mitgliedsstaaten wollen allerdings den Beitrittsprozess „eingefroren“ halten.
- Nur 10 Mitgliedstaaten möchten neue Kapitel in den Beitrittsverhandlungen eröffnen.
- Das wirtschaftliche Potenzial der Türkei ist ein wichtiger Faktor den Beitrittsprozess aufrechtzuerhalten: 61% der Befragten glauben, dass die Mitgliedschaft der Türkei der EU wirtschaftliche Chancen eröffnet.
- Die meisten Mitgliedsstaaten behaupten, dass das Image der Türkei schlechter ist als noch vor einigen Jahren, und dass die Bürger in ihrem Land gegen eine Mitgliedschaft der Türkei sind – dennoch sprechen sich lediglich 4 Mitgliedsstaaten für eine stärkere Betonung der Menschenrechte aus.
Asli Aydıntaşbaş, kommentiert die Ergebnisse vor dem EU-Türkei-Treffen am 26. März in Varna, Bulgarien: „Die europäischen Mitgliedsstaaten mögen die ‚Idee der Türkei‘ mehr als das, was sie vor sich haben.“ Die Mitgliedstaaten wollen die Türkei aus unterschiedlichen Gründen an Bord haben, „die kurzgesagt mit Angst oder Gier zu tun haben.“ Während Italien, Spanien und Frankreich vom wirtschaftlichen Potenzial der Türkei angezogen werden, sind Griechenland, Zypern und Bulgarien der Ansicht, dass die Türkei mit einer Beitrittsperspektive weniger eine Bedrohung ihrer nationalen Sicherheit darstellt.
Die Europäer und die Türkei nutzen die Macht der Heuchelei, um ein Modell für die Zusammenarbeit mit der EU aufzubauen. Paradoxerweise tragen die gestörten Beziehungen und falsche Versprechen dazu bei, den Beitrittsprozess aufrechtzuerhalten – ohne ihn voranzubringen.
„Wir müssen eine neue Sprache entwickeln, um die Bedeutung der Beziehungen zwischen der EU und der Türkei außerhalb des Beitrittsprozesses herauszustellen. Man sollte anfangen, von „Türkei und Europa“ im Gegensatz zu „Türkei und die EU“ zu sprechen“, sagte Aydintasbas.
Die europäischen und türkischen Staats- und Regierungschefs sollten die Beitrittsperspektive herunterspielen und sich stattdessen auf gemeinsame Interesse in Bereichen wie Außenpolitik, Terrorismusbekämpfung und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit konzentrieren. „Die Modernisierung der Zollunion zwischen der EU und der Türkei ist eine der Möglichkeiten, diese Beziehung in turbulenten Zeiten funktioneller zu gestalten“, sagte Aydıntaşbaş.
Zur englischen Originalversion
Der European Council on Foreign Relations vertritt keine gemeinsamen Positionen. ECFR-Publikationen geben lediglich die Ansichten der einzelnen Autor:innen wieder.