Fussspuren auf der Bühne der Weltpolitik

Australien ist die zwölftgrösste Wirtschaft. Weltpolitisch aber steht das Land kaum je im Rampenlicht, sondern vielmehr im Schatten der USA. Im vergangenen Jahr zeigte es jedoch überraschend Profil.

Heidi Gmür, Sydney
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Die australische Aussenministerin Juli Bishop bei einem ihrer Auftritt im Uno-Sicherheitsrat (Aufnahme vom September 2014) (Bild: Bebeto Matthews / AP)

Die australische Aussenministerin Juli Bishop bei einem ihrer Auftritt im Uno-Sicherheitsrat (Aufnahme vom September 2014) (Bild: Bebeto Matthews / AP)

Kurz vor den Feiertagen hat das australische Aussendepartement ein Communiqué verschickt, das beispielhaft ist für die zwei Jahre, während denen Australien dem 15-köpfigen Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (Uno) angehört hat. Die Mitteilung berichtete von einem Erfolg: Angeführt von Australien hat der Sicherheitsrat die Menschenrechtsverletzungen in Nordkorea permanent auf seine Agenda gesetzt. Ein Schritt, der weithin als historisch bezeichnet wurde.

Populäre Aussenministerin

Und es war bei weitem nicht der einzige Erfolg Australiens im höchsten Uno-Gremium. Das in der Weltpolitik meist unauffällig im Schatten der USA, seines beschützenden Alliierten, agierende Land war massgeblich an Resolutionen beteiligt, die humanitäre Hilfe für das kriegsgebeutelte Syrien ermöglicht haben. Auf die Hinterbeine stellte sich der fünfte Kontinent im Sicherheitsrat auch, als beim Abschuss des Passagierflugs MH17 über der Ostukraine 38 seiner Landsleute ums Leben kamen und Canberra sich plötzlich mit einem Konflikt konfrontiert sah, den es bis dahin weitgehend hatte ignorieren können. Die forsche Kritik Australiens an Russland war laut und deutlich, und auf seine Initiative hin nahm das Uno-Gremium eine Resolution an, die eine unabhängige Untersuchung des Absturzes forderte.

Dass das australische Aussenministerium die zweijährige Mitgliedschaft als «Erfolg in jeder Hinsicht» erachtet, verwundert nicht. Lob und eine Prise Bewunderung bekam Australien aber auch von ausländischen Beobachtern. Australien habe sich, heisst es etwa bei der Schweizer Uno-Mission in New York, gegenüber permanenten Ratsmitgliedern behaupten können – das sei selten für ein nichtständiges Mitglied. Und der australische Fernsehsender ABC zitierte den Uno-Experten Richard Gowan von der New York University mit den Worten, Australien sei «proaktiver und effektiver» gewesen, als es die meisten anderen Staaten je geschafft hätten.

Eine Lektion dürfte dies nicht zuletzt für den konservativen Premierminister Tony Abbott gewesen sein. Er hatte die von der vormaligen Laborregierung lancierte Kandidatur für den Sicherheitsrat scharf kritisiert , als er noch Oppositionsführer war. Abbott ist denn auch nicht der Vater dieses aussenpolitischen Erfolgs. Diesen kann – abgesehen von den Diplomaten in New York – eine Frau für sich verbuchen: Julie Bishop. Die australische Aussenministerin hat sich in ihren ersten anderthalb Jahren mühelos auf dem internationalen Parkett bewegt, leidenschaftlich und kompetent, und sich damit viel Respekt verschafft. Erstaunlicherweise nicht nur im Ausland, sondern auch im aussenpolitisch wenig alerten Australien.

Inzwischen gilt Bishop als erfolgreichstes Mitglied der noch jungen Regierung. Sie reüssierte nicht nur in ihren Dossiers, sondern auch beim Volk. Während die liberal-konservative Regierungskoalition innenpolitisch innert Kürze viel Geschirr zerbrochen und ihren Vorsprung auf Labor in den Umfragen eingebüsst hat, reitet Bishop seit Monaten auf einer Popularitätswelle.

Indiens Blick nach Osten

Abbott hat sich derweil nicht nur daheim, sondern auch auf der Weltbühne nicht als sonderlich trittsicher erwiesen. Ihm kam im vergangenen Jahr die Rolle des Gastgebers des G-20-Gipfels zu, ein Grossereignis, das Australien für ein paar Tage ins Zentrum der globalen Aufmerksamkeit rückte. Abbott machte sich zunächst einen Namen als diplomatischer Haudegen, als er dem Heimpublikum versprach, er werde sich den russischen Präsidenten Wladimir Putin wegen des Abschusses von Flug MH17 vorknöpfen – wobei er den Begriff «shirtfront» verwendete , der im Sport eine körperliche Auseinandersetzung mit dem Gegner umschreibt. Er liess dies freilich tunlichst bleiben. Aus australischer Sicht wurde der Gipfel schliesslich zu einem kleineren Debakel. Der amerikanische Präsident Barack Obama setzte – gegen den Willen des Gastgebers – die Klimapolitik prominent auf die Agenda , und Abbott musste ausserdem zusehen, wie der Ukraine-Konflikt den von ihm konsequent wirtschaftlich ausgerichteten Gipfel letztlich überschattete .

Ein kleiner Trost für Abbott bedeuteten die anschliessenden Staatsbesuche des chinesischen und des indischen Staatspräsidenten. Mit Xi Jinping schloss er bei dieser Gelegenheit ein weitreichendes Freihandelsabkommen ab, während der indische Präsident Narendra Modi Australiens wachsende Rolle für die regionale Stabilität und Prosperität begrüsste . Die Definition just dieser Rolle Australiens bleibt die grösste Herausforderung des Landes an der aussenpolitischen Front: Wie positioniert es sich – jenseits wirtschaftlicher Verflechtungen – innerhalb der geopolitisch dynamischen asiatischen Region und insbesondere im Spannungsfeld zwischen den USA und China?

Vorerst scheint sich die australische Regierung durch das Freihandelsabkommen mit China bestätigt zu fühlen, dass sie weiterhin beides haben kann: die wirtschaftlichen Chancen, die China bietet, sowie die Sicherheitsgarantie von den USA. Bemerkenswert war im vergangenen Jahr allerdings die rege diplomatische Aktivität zwischen Australien und Indien. Sie ist Ausdruck des Willens zur Stärkung der bilateralen Beziehungen, die lange vernachlässigt worden waren. Canberra dürfte – mit Blick auf China – auch das erwachte strategische Interesse Indiens am Osten gelegen kommen, das dereinst zu einem stabileren regionalen Gleichgewicht führen könnte.

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