Polen träumt vom idealen Trump

Die polnische Regierung hat euphorisch auf die Wahl Trumps reagiert. Doch der enge Partner, den Warschau gerne sähe, werden die USA kaum.

Meret Baumann, Warschau
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«Polen ist ein Beispiel für Demokratie und wird dies bleiben, für die ganze Welt.» Diese freundlichen Worte sprach der amerikanische Präsident Barack Obama nach einem Treffen mit seinem polnischen Amtskollegen Andrzej Duda anlässlich des Nato-Gipfels in Warschau im letzten Juli – zumindest, wenn man der Übersetzung glaubte, die das öffentlichrechtliche Fernsehen TVP über den Originalton legte. Tatsächlich sagte Obama nämlich, Polen sei ein Beispiel für demokratische Verfahren und müsse dies auch bleiben. Es ist ein kleiner, aber sehr wesentlicher Unterschied.

Das Weisse Haus stellte das ursprüngliche Statement Obamas auf seine Website, und es war eine diplomatisch formulierte, aber unmissverständliche Kritik an den Reformen der nationalkonservativen Regierung. Er habe Duda seine Besorgnis über die Entwicklung mitgeteilt, sagte der amerikanische Präsident. Im Streit um das Verfassungsgericht müsse Warschau mehr tun.

Die Zuschauer von TVP erfuhren dies nur über andere Quellen. In der amerikanischen Delegation soll die Zensur für Verärgerung gesorgt haben, das bilaterale Verhältnis gilt seither als zerrüttet. Und dies ausgerechnet, als Warschau einen bedeutenden aussenpolitischen Erfolg feiern konnte: Auf das am Gipfel beschlossene Ziel, ein Nato-Bataillon unter amerikanischer Führung rotierend in Polen zu stationieren, hatte nicht erst die derzeitige Regierung hartnäckig hingearbeitet.

Andrzej Duda am 11. Dezember in Berlin. (Bild: Klaus Dietmar Gabbert / EPA)

Andrzej Duda am 11. Dezember in Berlin. (Bild: Klaus Dietmar Gabbert / EPA)

Politische Überschneidungen

Obamas Ermahnungen in Warschau erklären den Enthusiasmus, mit dem die Wahl von Donald Trump von Regierungspolitikern und konservativen Medien in Polen kommentiert wurde. Ministerpräsidentin Beata Szydlo verglich seinen Sieg in einem Reuters-Interview mit der Art und Weise, mit der auch ihre Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) vor gut einem Jahr an die Macht gekommen war. Trump habe die Bedürfnisse der Menschen angesprochen und sich ausserhalb der politischen Elite positioniert. Seine Wahl sowie die ihrer Partei zeigten, dass die Bevölkerung keine klassischen Politiker mehr wolle, da diese den Bezug zur Realität verloren hätten.

Neben dem Wettern gegen ein verhasstes «Establishment» gibt es weitere politische Parallelen zwischen der polnischen Regierung und Trump. Beide stehen der Immigration äusserst kritisch gegenüber, beide pochen auf eine Stärkung der nationalen Souveränität und wirtschaftlichen Protektionismus. Doch habe für die Euphorie auch eine Rolle gespielt, dass Trump sich vermutlich für den Streit um die Rechtsstaatlichkeit nicht interessieren und dies als innere Angelegenheit Polens sehen werde, erklärt Piotr Buras, der Direktor des European Council on Foreign Relations in Warschau. In den vergangenen Monaten hätten die USA Warschau zu einer Zusammenarbeit mit der EU-Kommission gedrängt und hinter den Kulissen einen Kompromissvorschlag angeboten. Dass die Regierung diesen ignoriert habe, habe zu einem Zerwürfnis geführt.

In Polen werden die USA seit der Wende 1989 als einer der wichtigsten Partner gesehen, dazu herrscht ein breiter überparteilicher Konsens. Man sehe nur Washington in der Lage, die Sicherheit des Landes zu garantieren, sagt Marek Wasinski, der Amerika-Experte des Polnischen Instituts für Internationale Angelegenheiten. In der Hoffnung, dieses zentrale Verhältnis wieder zu entspannen, spielte die PiS in den letzten Wochen mögliche neue Konfliktpunkte herunter. Die Freundlichkeiten, die Trump dem russischen Präsidenten Wladimir Putin ausrichtete, und seine Zweifel an der Nato-Beistandspflicht lösten vor allem im Baltikum und in Polen Sorgen aus. Warschau hegt aus historischen Gründen ein tiefes Misstrauen gegenüber Moskau und gehört innerhalb der EU zu den vehementesten Verfechtern der gegen Russland verhängten Sanktionen, während der künftige amerikanische Aussenminister, Rex Tillerson, solche Strafmassnahmen in der Vergangenheit kritisiert hatte.

Wasinski relativiert allerdings. Trump habe mit seinen Aussagen zwar am Vertrauen in Artikel 5 der Nato-Akte gekratzt, tatsächlich habe er aber vor allem daran erinnert, dass alle Mitglieder des Bündnisses ihre finanziellen Pflichten zu erfüllen hätten. Dies sei schon unter Obama die Position Washingtons gewesen – und entspreche jener Polens. Warschau wendet wie verlangt zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung für die Verteidigung auf. Wichtig sei für das Sicherheitsempfinden im Land, sagt Wasinski, vor allem, dass das am Gipfel im Sommer zugesicherte amerikanisch geführte Nato-Bataillon tatsächlich in Polen stationiert werde, und bis anhin gebe es keine gegenteiligen Aussagen. Es ist kein Zufall, dass Duda Trump an diese Zusage erinnerte, als er ihm telefonisch zur Wahl gratulierte.

Eine grössere Gefahr sieht Wasinski darin, dass Trump in seiner von Interessen geleiteten Politik Europa wenig Beachtung schenken könnte. Auch dies sei jedoch kein grundlegender Unterschied zu seinem Vorgänger, habe doch Obama schon eine gewisse Neuorientierung der Aussenpolitik vorgenommen.

Überschätzter Bilateralismus

Diese Einschätzung teilt Buras, er gibt jedoch zu bedenken, dass Trumps kontroverse Persönlichkeit in Europa und vor allem in Deutschland zu einer Welle des Antiamerikanismus führen könnte, der das transatlantische Verhältnis insgesamt verschlechtere. Das wäre für die polnischen Interessen schädlicher als jede atmosphärische Veränderung im bilateralen Verhältnis zu Washington. Dieses werde in Polen völlig überschätzt. Polen sei für die USA Teil eines Ganzen und die Sicht, man sei ein besonderer Partner, eine Illusion. Die Amerikaner seien in den letzten Jahren stets mit der Botschaft nach Warschau gekommen, das Land sei wichtig, aber nur, solange es gute Beziehungen zu Deutschland pflege und eine relevante Rolle in der EU spiele. Nun, da aufgrund des Streits um das Verfassungsgericht beides auf dem Spiel stehe, sei der Wert Polens für die USA viel geringer, erklärt Buras. Unter Trump würden wohl andere Aspekte eine Rolle spielen, aber es sei unrealistisch, zu glauben, dass sich dies grundsätzlich ändere.