Die Insel Ventotene hat Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi als Ort für das Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Francois Hollande ganz gezielt ausgesucht. Dort liegt mit Altiero Spinelli einer der großen italienischen Vordenker der europäischen Integration begraben.

Pressekonferenz auf Hubschrauberträger

Die Pressekonferenz des Trios hat der Sozialdemokrat auf den Hubschrauberträger "Garibaldi" verlegt, dem Flagschiff der EU-Flüchtlingsmission "Sophia" im Mittelmeer. Renzi will die Aufmerksamkeit darauf lenken, wie stark Italien vom Flüchtlingsstrom aus Nordafrika betroffen ist.

Doch die Symbolik kann zwei Punkte nicht überdecken. Zum einen vertreten die drei großen EU-Staaten nach der Brexit-Entscheidung Großbritanniens sehr unterschiedliche Sichtweisen. Unausgesprochene Mission des Trio-Treffens ist es deshalb, diese Differenzen vor dem EU-Gipfel in Bratislava Mitte September wenigstens zum Teil beizulegen. "Für Merkel ist dies besonders wichtig: Sie muss verhindern, dass Frankreich und vor allem Italien in eine Richtung marschieren, die sie ablehnt", sagte Europaexperte Josef Janning vom European Council on Foreign Relations (ECFR) in Berlin.

Alle drei sind angeschlagen

Zum anderen wirkt jeder aus dem Trio angeschlagen. Renzi muss mit innenpolitischen Problemen sowie angeschlagenen Banken kämpfen und im Herbst ein Referendum überstehen. Hollande steht ein Jahr vor der Präsidentschaftswahl wegen der Sicherheitslage und der schwachen Wirtschaft ebenfalls unter Druck. Mittlerweile haben im linken Wählerspektrum bereits sechs Politiker angekündigt, gegen den Sozialisten Hollande antreten zu wollen. Und obwohl sich Deutschlands Wirtschaft robust zeigt, sind Merkels Zustimmungswerte seit den IS-Attacken in Deutschland gesunken. Im September droht ihrer CDU bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin das Ausscheiden aus beiden Landesregierungen.

Die Folge: Aus innenpolitischem Druck streben die Drei in andere Richtungen. Am 27. Juni hatten Merkel, Hollande und Renzi bei einem ersten Treffen nach dem britischen Referendum eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, wonach die EU in drei Bereichen handlungsfähiger werden soll: bei innerer und äußerer Sicherheit, bei Wirtschaft, Wachstum und sozialem Zusammenhalt sowie bei Jugendprogrammen.

Neuerfindung Europas

Aber jetzt will Renzi viel mehr. "Sie kommen, um die Neuerfindung Europas von Grund auf zu diskutieren", kündigte Renzi am Sonntag mit Blick auf den Besuch Merkels und Hollandes an. Italienische Medien feiern das Treffen bereits als endgültiges Ende der Sparpolitik in Europa und als Einstieg in mehr Flexibilität im Stabilitäts- und Wachstumspakt. Dagegen hätte auch Hollande nichts einzuwenden, zumal Frankreich Jahr für Jahr das Defizitkriterium reißt. Er fordert zudem, dass das europaweite Investitionsprogramm verdoppelt wird. Andererseits lehnt er mit Blick auf den rechtsradikalen Front National jedes größere EU-Reformprojekt vor der Präsidentschaftswahl ab.

EU-27 zusammenhalten

Klare Marschrichtung der Kanzlerin wiederum ist nach Angaben aus Regierungskreisen, die EU-27 erst einmal zusammenzuhalten. Denn in Ungarn steht am 2. Oktober ein Referendum über die Flüchtlingspolitik an. In den Niederlanden streben rechtsgerichtete Europa-Gegner ein Austritts-Referendum nach britischem Vorbild an. "In Berlin weiß man zudem genauer als in Rom, dass viele Nachbarstaaten nichts von der Idee 'mehr Europa' halten", sagt Janning. "Die Differenzen zwischen den 27 EU-Staaten sind einfach zu groß", warnt auch die Europa-Expertin der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), Claire Demesmay.

Der Formelkompromiss könnte lauten, dass man zunächst einen Prüfauftrag erteilt, wie man die EU funktionsfähiger machen kann. Hochfliegende neue Integrationsideen wären damit zumindest bis zum 60. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge am 25. März 2017 verschoben.