Über mehr Umverteilung zu diskutieren ist in
Deutschland immer noch ein Tabu. Gut sichtbar wurde dies an der Debatte
um den Umgang mit den prognostizierten Steuermehreinnahmen in den vergangenen
Wochen.
Sie verlief in altbekannten Bahnen: Konservative und Wirtschaftsverbände forderten
Steuersenkungen, links der Mitte wurde verhalten nach etwas mehr Geld für
Infrastruktur und Bildung gefragt.
Zwar heißt es jetzt, die
zusätzlichen Mittel seien schon verplant, aber die Großkoalitionäre in Berlin lassen
durchblicken, dass eine kleine Steuersenkung vor den kommenden Bundestagswahlen
doch noch drin sein dürfte. Und wie bei allen Steuerreformen seit den späten
1990ern dürften von den anvisierten Tarifsenkungen, die für die Mittelschicht
versprochen sind, am meisten jene profitieren, die heute den Spitzensteuersatz
zahlen.
Forderungen aus Teilen der
SPD, genau aus diesem Grund für einen Ausgleich der kalten Progression doch
bitte den Spitzensteuersatz anzuheben, sind dagegen vom Tisch – fast so schnell,
wie die Forderung nach Steuererhöhungen in den Verhandlungen zur großen
Koalition im Papierkorb verschwand. Das Argument: Höhere Spitzensteuersätze
sind Gift für Wirtschaft und Wachstum.
Was vielen aber nicht klar
ist: Mit dieser Schlussfolgerung reiht sich Deutschland ganz hinten in den globalen
wirtschaftspolitischen Diskurs ein. Weltweit dreht die Debatte: Verteilungsgerechtigkeit
wird zunehmend nicht mehr als reine Luxusfrage gesehen, sondern als
Voraussetzung für robustes und stabiles Wirtschaftswachstum.
Der zuletzt weit beachtete, zum Teil in den USA ausgebildete Franzose Thomas Piketty ist dabei nur einer von vielen Ökonomen, die so argumentieren. In seinem Buch Capital in the Twenty-First Century beschreibt der Ökonom nicht nur plastisch den Trend immer größerer Verteilungsungleichheit in modernen Volkswirtschaften, sondern listet gleich eine ganze Reihe von Instrumenten zum Abbau der Ungleichheit auf, von höheren Spitzensteuersätzen zu Vermögensabgaben und einer Aufhebung des Bankgeheimnisses.
Piketty, der Wachstumskiller? Mitnichten. Erst im Januar dieses Jahres hat der Internationale Währungsfonds – üblicherweise linker Ideen völlig unverdächtig – in einer neuen Studie festgestellt, dass Volkswirtschaften mit einer verhältnismäßig gleichen Einkommensverteilung schneller wachsen als jene mit größeren Ungleichheiten. Und, für viele deutsche Volkswirte wahrscheinlich ein Schock: Mehr Umverteilung durch den Staat schadet dem Wachstum nicht. Es sei denn, man treibt es ins Extreme wie Venezuelas verstorbener Präsident Hugo Chávez.
Über mehr Umverteilung zu diskutieren ist in
Deutschland immer noch ein Tabu. Gut sichtbar wurde dies an der Debatte
um den Umgang mit den prognostizierten Steuermehreinnahmen in den vergangenen
Wochen.
Sie verlief in altbekannten Bahnen: Konservative und Wirtschaftsverbände forderten
Steuersenkungen, links der Mitte wurde verhalten nach etwas mehr Geld für
Infrastruktur und Bildung gefragt.
Zwar heißt es jetzt, die
zusätzlichen Mittel seien schon verplant, aber die Großkoalitionäre in Berlin lassen
durchblicken, dass eine kleine Steuersenkung vor den kommenden Bundestagswahlen
doch noch drin sein dürfte. Und wie bei allen Steuerreformen seit den späten
1990ern dürften von den anvisierten Tarifsenkungen, die für die Mittelschicht
versprochen sind, am meisten jene profitieren, die heute den Spitzensteuersatz
zahlen.