Die Ausgangsbedingungen für den Auftritt von Donald Trump waren im besten Fall schwierig. Schließlich hatte der US-Präsident in der Vergangenheit immer wieder deutlich gemacht, was er von den Vereinten Nationen hält. Die UN seien nichts weiter als "ein Club für Leute, um zu reden und eine gute Zeit zu haben", sagte er schon im vergangenen Jahr. Kurz darauf kündigte der frisch gewählte Staatschef an, nach der Amtsübernahme am 20. Januar würden die Dinge bei der Organisation anders laufen. "Der Wirbelsturm Trump zieht auf die UN zu", kommentierte der Radiosender NPR am Vortag seiner ersten Rede vor der Vollversammlung – eine Anspielung auf die zahlreichen Unwetter, die die USA in den vergangenen Wochen heimgesucht hatten.

Der Wirbelsturm hatte jedenfalls Überlänge. Trump überzog die vorgegebene Redezeit um fast das Dreifache und bemühte unzählige großspurige Formulierungen. Verfasst hatte die Rede Stephen Miller, der einzig verbliebene der apokalyptischen Nationalisten in Trumps Beraterstab. Vor allem die Äußerungen zu Nordkorea sorgten für Aufsehen. Den USA, so der Präsident, bleibe im Konflikt mit dem kommunistischen Regime möglicherweise kaum eine Wahl, als das Land "vollständig zu zerstören". Den Diktator Kim Jong Un bezeichnete Trump in Tweet-Manier als "rocket man auf Selbstmordmission", die Vertreter des internationalen Terrorismus im Verlauf der Rede als "loser". Er werde den richtigen Leuten einen Klaps verpassen und den richtigen Leuten eine Umarmung geben, hatte Nikki Haley, die UN-Botschafterin der USA, schon zuvor angekündigt.

Direkte Angriffe auf die Organisation blieben aus, aber die Vision hinter den Worten des US-Präsidenten wurde für die Staatsvertreter vor Ort deutlich. Der Präsident werde zeigen müssen, wie sein "America first"-Ansatz zu dem "World first"-Prinzip der Vereinten Nationen passe, schrieb die New York Times vor der Rede. In der gut 30-minütigen Ansprache wurde dann deutlich: Trump will diesen ohnehin fast unlösbar erscheinenden Spagat nur unter Bedingungen leisten, die er selbst definiert. Das Atomabkommen mit dem Iran etwa erkennt er trotz eines breiten Konsenses der Mitgliedstaaten weiterhin nicht an. "Dieser Deal ist eine Beleidigung für die USA", polterte Trump in New York. "Ich glaube nicht, dass das letzte Wort gesprochen ist."

Zusammenarbeit sucht Trump nur dort, wo er den vereinten Druck der Organisation für nötig hält, um internationale Bedrohungen abzuwenden. Am Ende steht aber auch bei den Konflikten mit dem Iran, in Syrien oder Venezuela für Trump das Ziel eines souveränen Staates, der ein Eingreifen von außen überflüssig macht. So zeigte sich auch in den weniger bombastischen Momenten die Abkehr der Trump-Regierung vom jahrzehntelangen Kurs der Amtsvorgänger aus beiden Lagern. Die Trump'sche Version der Vereinten Nationen strebt eine Welt an, in denen die Staaten die entscheidende Verantwortung für die Zukunft der Menschheit tragen, nicht eine internationale Organisation. "Wir rufen zu einem neuen Erwachen der Nationalstaaten auf", so Trump.

Menschenrechte nur als Argument gegen ein verhasstes Regime

Ohne massive Veränderungen in der Organisation selbst und der Zusammenarbeit der Mitglieder laufe die UN Gefahr, "taub" zu sein gegenüber den Gefahren, die sie bedrohen. Man könne nicht darauf warten, dass weit entfernte Bürokratien die Probleme der Staaten lösten. "Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist die: Sind wir noch immer Patrioten?" Die Betonung, das zeigte sich, liegt für Trump nicht auf den gemeinsamen Zielen, sondern auf Begriffen wie Grenzen, Souveränität und nationalen Gesetzen, der Wunsch offener Zusammenarbeit weicht der Skepsis gegenüber offenem Handel, bei dem sich Trump im Zweifel als Verlierer wähnt. Dazu passt auch die Feststellung, "massive Migration" sei "unfair" für die Länder, aus denen die Menschen kämen und die, in die sie gingen.

Der Gedanke hinter dem Aufruf zu nationaler Verantwortung ist klar: Donald Trump missfällt es nach wie vor, dass die USA den Großteil der Mitgliedsbeiträge leisten, ohne dafür einen konkreten Gegenwert zu erhalten, wie er das aus der früheren Welt des Immobilienhändlers kennt. Laufende finanzielle Unterstützungen zeugten von der "Gutherzigkeit" der Amerikaner, so Trump in seiner Rede. Doch nur, wenn die Organisation ihre Ziele tatsächlich erreichen könne, seien diese Investitionen auch künftig gerechtfertigt, so Trump – ein Maßstab, bei dem offen ist, wann er erreicht wird. Der Klimawandel spielte am Dienstag keine Rolle, Menschenrechte nur dort, wo sie als Argument gegen ein verhasstes Regime dienten.

Viele seiner anderen Drohungen aus dem Wahlkampf hat Trump nicht wahr gemacht: Ein Handelskrieg mit China ist ausgeblieben, der Atomdeal mit dem Iran besteht vorerst weiter, und von der Ankündigung, wichtige Handelsabkommen aufzukündigen, ist Trump abgerückt. Die Rolle der Nato hat der Präsident, wenn auch zähneknirschend, anerkannt und neue Truppen für Afghanistan angekündigt, anstatt sich übereilt zurückzuziehen. Die Bilanz hatte Beobachtern und Verbündeten Hoffnung gegeben, das Amt werde auch den Außenseiter zumindest außenpolitisch disziplinieren. Diese Hoffnung sei am Dienstag enttäuscht worden, resümiert Carla Anne Robbins vom Council on Foreign Relations.

Die Staatschefs der anderen Länder hätten sich zuvor bereits darauf eingestellt, von dem US-Präsidenten "scharfe Worte" zu hören zu bekommen, sagte der UN-Experte Richard Gowan vom European Council on Foreign Relations schon im Vorfeld beim Radiosender NPR. "Sie werden das aber nur tolerieren, wenn er es mit versöhnlicheren Botschaften zur Zusammenarbeit bei den großen Krisen ausbalanciert." Doch genau das ist Trump bei seinem Auftritt vor der Weltgemeinschaft schuldig geblieben.