Mark Leonard ist Mitgründer und Direktor des paneuropäischen Thinktanks European Council on Foreign Relations. Er ist Autor der Bestseller "Why Europe will run the 21st Century" und "What does China think?", die in über 20 Sprachen übersetzt wurden.
Der deutsche Außenminister Heiko Maas sprach am Mittwochabend in Washington mit seinem US-Amtskollegen Mike Pompeo.

Heiko Maas entscheidet, ob Europa im neuen Wettbewerb der Großmächte besteht. Dass er ein Gespür für das neue Zeitalter der internationalen Politik hat und die deutsche Außenpolitik erneuern will, zeigte der Außenminister schon bei seinem Amtsantritt – als er von den Verbrechen des Faschismus sprach und erklärte, dass man Russland angesichts seiner Aggressionen auch in die Schranken weisen müsse. Nur zwei Monate später muss Maas feststellen, dass es bei einer Revision der deutschen Ostpolitik nicht bleiben kann. Denn nach Donald Trumps Ausstieg aus dem Atomabkommen mit dem Iran entscheidet sich im bislang so zögerlichen Berlin, ob ganz Europa in der neuen Großmachtpolitik überhaupt noch eigenständig Politik machen kann. Gerade Maas kann verhindern, dass unser Kontinent zum Spielball der Mächte wird, dass es Instabilität, Aufrüstung und Migration ausgeliefert ist wie mindestens seit dem Kalten Krieg nicht mehr.

Wird er der Aufgabe gewachsen sein? Die Worte des ehemaligen Justizministers geben Grund zur Hoffnung. Gegenüber Russland hat Maas erkannt: Nicht die Gefahr einer immanenten nuklearen Konfrontation bedroht Europa heute, sondern die Unterminierung unserer Institutionen und Werte, von Recht und Gesetz in Europa und der Welt, ob durch die Annexion der Krim oder die Beeinflussung westlicher Wahlen. Russland sei es selbst, das sich "immer mehr in Abgrenzung, ja teilweise in Gegnerschaft" zum Westen definiere und damit die Möglichkeiten der Zusammenarbeit einschränke, so Maas. 

Als überzeugter Transatlantiker muss ich feststellen, dass auch Donald Trump zunehmend die Möglichkeiten der Zusammenarbeit einschränkt. Während die Großmachtpolitik ringsum eine Renaissance erlebt, wird Europa auch unabhängig von Trump immer postamerikanischer. 

Überzeugte Transatlantiker brauchen einen Plan C

Die vergangenen Monate zeigen, dass wir das noch nicht immer ausreichend verstanden haben. Nach Donald Trumps Wahl zum amerikanischen Präsidenten leugneten viele Europäer den Bruch im transatlantischen Verhältnis. Trump sei ja nicht die USA, hieß es, und seine Amtszeit währte ja auch nicht ewig. Man setzte auf die "Erwachsenen im Oval Office", die fachkundigen Berater hinter dem schillernden Präsidenten. Als die dann gefeuert wurden oder selbst das Handtuch warfen, hieß es, jetzt müssten wir eben unsere guten Kontakte zu anderen Teilen der USA nutzen. Nach Plan A, der Verneinung, kam Plan B, die Befriedung. Europas Bemühungen waren ehrenwert: Um auf Trumps Kritik am Iran-Abkommen zu reagieren, bot man an, den Deal zu verbessern.

Heute ist klar, dass Plan A und B gescheitert sind. Auch überzeugte Transatlantiker brauchen einen Plan C – eine Strategie zur Verteidigung unserer Politik. Donald Trump meint es ernst mit seinen Drohungen, und Europas Entgegenkommen war für ihn nur ein Zeichen der Schwäche. Das Klimaabkommen von Paris hatte er schon zuvor verlassen und einen Handelskrieg ausgerufen, der auch Europa bedroht. Er blockiert und unterminiert die Welthandelsorganisation und hat Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt. Gerade im Nahen Osten fallen unsere Interessen immer weiter auseinander. Was kommt als Nächstes, fragen sich viele in den europäischen Hauptstädten. Immerhin liegen wohl noch drei oder gar sieben Jahre Trump vor uns.

Bislang meidet Heiko Maas noch die Auseinandersetzung mit der für uns unangenehmen Wahrheit, dass der Westen auseinanderdriftet. Während immer mehr Amerikaner – nicht nur Donald Trump – glauben, dass die amerikanische Mission in Europa zu Ende geht und dass 500 Millionen Europäer nicht auf Ewigkeit auf den Schutz durch 300 Millionen Amerikaner hoffen können, sagt Maas: Wir müssen zwar europäischer werden, aber transatlantisch bleiben. Während die USA sich von den Werten, die die westliche Allianz ausgemacht haben, entfernen und in Zukunft vielleicht noch deutlicher für ihre eigene Macht statt für die regelbasierte Weltordnung eintreten werden, redet Europa vielleicht immer mal über strategische Autonomie. Frankreich will auch reagieren. Vor allem Deutschland zögert aber.