Zwei Jahre nach der Krim-Annexion, im April 2016, kommt Gernot Erler in die russische Hauptstadt, um das 40. Jubiläum der Helsinki-Menschenrechtsgruppe zu feiern. Mit der Annexion und dem Krieg in der Ostukraine brachen deutsche Gewissheiten über Russland zusammen, aber Erler hielt an der Heilkraft des Dialogs fest wie ein Jünger an seinem Glauben. Er hatte es sich nie leicht gemacht mit Russland. Nun wollte er den russischen Außenminister sprechen – aber Sergej Lawrow empfing ihn nicht. Nachts saß Erler in seinem Hotel mit Blick auf die erleuchteten Kremlmauern und fragte die deutschen Korrespondenten, die er eingeladen hatte, wie sie sich denn die Entwicklungen in Russland erklärten. Gernot Erler, der es zu seiner Lebensaufgabe gemacht hatte, Russland zu verstehen, verstand Russland nicht mehr.