Die türkische Staatsanwaltschaft hat Haftbefehle gegen 118 Personen wegen mutmaßlicher Verbindungen zur in der Türkei verbotenen Gülen-Bewegung erlassen. Bei den Betroffenen handele es sich überwiegend um Mitglieder der Sicherheitskräfte, hieß es. Grundlage dafür seien Aussagen bereits festgenommener Verdächtiger sowie Analysen von Telefonanrufen. Von den 118 Betroffenen sind 72 Personen bereits inhaftiert. Sie seien bei einer Razzia in 35 Provinzen des Landes festgenommen worden, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Nach 46 Personen werde demnach noch gesucht.

Laut eines Berichts der New York Times sind unter den gesuchten Personen 42 Angehörige des Militärs und der Militärpolizei Jandarma. Gegen sie hätten Aussagen bereits Festgenommener vorgelegen. 24 von ihnen sind demnach Offiziere im aktiven Dienst. Bei den verbliebenen 76 Betroffenen, die nur auf Grundlage von mutmaßlichen telefonischen Kontakten zu Mitgliedern des Netzwerks ins Visier der Staatsanwaltschaft gerieten, handele es sich ebenfalls mehrheitlich um Militärangehörige aller Teilstreitkräfte, darunter einen Oberst.

Die türkische Regierung geht seit Jahren gegen mutmaßliche Anhänger der Bewegung des im US-Exil lebenden Predigers Fethullah Gülen vor. Sie wirft ihm vor, hinter dem Putschversuch gegen Präsident Recep Tayyip Erdoğan im Jahr 2016 zu stehen. Bislang wurden rund 80.000 Menschen angeklagt, 150.000 Staatsbedienstete entlassen oder vom Dienst suspendiert. Laut Erdoğan versuchten Gülens Anhänger, einen "Parallelstaat" zu errichten, indem sie Polizei, Militär und andere Institutionen infiltrierten. Gülen weist sämtliche Vorwürfe gegen seine Bewegung zurück.

Bei dem versuchten Staatsstreich waren im Juli 2016 etwa 250 Menschen getötet und rund 2.000 verletzt worden. Laut der Denkfabrik ECFR (Europäischer Rat für Internationale Beziehungen) waren führende Beteiligte Anhänger Gülens. Allerdings gebe es keine Hinweise darauf, dass Gülen selbst den Putschversuch angeordnet hätte.

Erdoğan hat den Putschversuch in den vergangenen vier Jahren als Vorwand für die Verhaftung zahlreicher Kritiker und den Ausbau seiner Befugnisse genutzt, etwa beim Verfassungsreferendum 2017. Damals wurde das parlamentarische System der Türkei in ein präsidentielles System umgewandelt, das Erdoğan beispielsweise gestattet, Minister ohne Zustimmung des Parlaments einzustellen oder zu entlassen.