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Auswärtiges Amt will die Bevölkerung in die Diskussion über die zukünftige Außenpolitik einbeziehen Suche nach einem neuen Kurs

Außenminister Frank-Walter Steinmeier will die deutsche Außenpolitik reformieren. Die Bevölkerung soll sich auch daran beteiligen. Doch wird es dem Auswärtigen Amt gelingen, seine Idee von Transparenz und Dialog mit den Bürgern umzusetzen?
22.06.2014, 00:00 Uhr
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Suche nach einem neuen Kurs
Von Jan Raudszus

Außenminister Frank-Walter Steinmeier will die deutsche Außenpolitik reformieren. Die Bevölkerung soll sich auch daran beteiligen. Doch wird es dem Auswärtigen Amt gelingen, seine Idee von Transparenz und Dialog mit den Bürgern umzusetzen?

Frank-Walter Steinmeier (SPD) steht im holzgetäfelten Weltsaal des Auswärtigen Amts in Berlin. Er hat gerade zum zweiten Mal das Amt des deutschen Außenministers übernommen.

Er hält eine Antrittsrede, deren Schlagkraft sich in verklausulierten Sätzen wie diesem findet: „In einer Welt im Umbruch müssen wir uns die kritische Frage stellen, ob die Pfeiler, auf denen dieses Koordinatensystem fußt, noch hinreichend belastbar und verlässlich sind“. Das Koordinatensystem, von dem er hier spricht, besteht aus Prinzipien, die seit Langem die deutsche Außenpolitik bestimmen: europäische Integration, die Partnerschaft mit den USA, die Arbeit innerhalb der Vereinten Nationen und internationalen Organisationen. Doch viele dieser Prinzipien stehen inzwischen in Frage.

Eine Überprüfung ist überfällig

Der Irakkrieg, NSA-Überwachung und die Affäre Snowden haben die Beziehungen mit den USA nachhaltig gestört, Europa steckt in einer mehrfachen Vertrauenskrise, und die großen internationalen Organisationen werden zunehmend von kleineren Gremien untergraben. Das hat auch Steinmeier erkannt und will über neue Leitlinien diskutieren. „Der Prozess ist überfällig“, sagt Olaf Böhnke vom European Council on Foreign Relations, einem außenpolitischen Forschungsinstitut in Berlin. „In mehreren Ländern hat es in den vergangenen Jahren eine solche Überprüfung der Außenpolitik gegeben.“

Und diese Überprüfung soll, so hat Steinmeier das bereits an seinem ersten Tag im Amt angekündigt, nicht von den außenpolitischen Experten in den Ministerien allein ausgeknobelt werden. Stattdessen will er einen Dialog mit den Bürgern, also mit denen, die er im Ausland täglich vertritt. Das sei auch dringend notwendig, findet Olaf Böhnke: „Steinmeier zielt darauf ab, den Elitendialog mit der deutschen Straße zusammenzubringen.“ Die außenpolitischen Eliten wünschten sich ein stärkeres Engagement Deutschlands auf der internationalen Bühne. Die Mehrheit der Bevölkerung ist hingegen skeptisch und sieht vor allem den Einsatz militärischer Gewalt kritisch. Umfragen zeigen das immer wieder.

Seit Ende Februar läuft ein Projekt, das eine neue Ära in der deutschen Außenpolitik einläuten und diesen Graben schließen soll. „Review 2014 – Außenpolitik Weiter Denken“ heißt es. Vorläufiger Höhepunkt war eine Konferenz Mitte Mai in Berlin mit deutschen und internationalen Experten.

Nun ist so eine Konferenz noch nichts Ungewöhnliches, davon gibt es in Berlin jedes Jahr Dutzende, auch zur Außenpolitik. Tatsächlich bemüht sich das Auswärtige Amt aber darum, die Diskussion weiter in die Bevölkerung zu tragen – allerdings mit bisher ziemlich konventionellen Mitteln: Es gibt eine Webseite, auf der Experten zur zukünftigen Rolle Deutschlands Stellung beziehen. Dort finden sich auch Videos zum Thema und von Veranstaltungen.

Aktuell läuft außerdem ein Aufsatzwettbewerb für Studierende: „Was soll die deutsche Außenpolitik in Zukunft tun? Und welche Ziele soll sie dabei verfolgen?“, lautet das Thema. Ein Twitterkonto dient vor allem dazu, neue Artikel auf der Webseite zu verbreiten, Facebook wird für den gleichen Zweck benutzt.

In Kreisen des Auswärtigen Amts lässt sich erfahren, dort sei man sehr zufrieden mit dem Anlauf des Projekts. Die Resonanz sei gut, und man merke ein großes Interesse der Bevölkerung am Thema.

So richtig nach Dialog sieht das alles trotzdem noch nicht aus. Zwar werden Bürger aufgefordert, die Artikel der Experten zu kommentieren, aber besonders viele haben das auf der Webseite des Projekts bisher nicht getan. Auf Facebook werden die Mitteilungen zu „Review 2014“ zwar viel diskutiert, aber eigentlich finden sich dort vor allem – mehr oder weniger sinnige – Meinungsäußerungen zur Ukraine-Krise. Einige Kommentatoren dort sind sogar der Meinung, es sei egal, was die Deutschen über die Außenpolitik dächten. Schließlich werde die sowieso in Washington, von der EU oder von der NATO bestimmt. Es gibt auch positives Feedback: „Coole Aktion“, findet eine junge Frau.

Doch dieser Mangel an Dialog könnte sich bald ändern. Ab Juli sind Veranstaltungen in mehreren deutschen Städten geplant, möglicherweise auch in Bremen. Dabei sollen Mitarbeiter des Auswärtigen Amts mit Bürgern und Vertretern der „Zivilgesellschaft“ über verschiedene Themen diskutieren. „Es ist zu hoffen, dass Eliten und Bevölkerung mit offenen Ohren in diesen Prozess gehen“, sagt Olaf Böhnke.

Die Ergebnisse der Expertenbefragung und der Veranstaltungen mit der Bevölkerung will das Auswärtige Amt in seinen Reformprozess einfließen lassen. Langfristig werde die Bevölkerung wohl allgemein intensiver in außenpolitische Entscheidungsprozesse einbezogen, vermutet Böhnke. „Zukünftig wird die Regierung dann vielleicht stärker mit der Öffentlichkeit kommunizieren, wenn es um kontroverse außenpolitische Themen geht.“

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