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Provokation. Vor Kurzem kamen Schnellboote der Revolutionsgarden einem Schiff der US-Marine bedrohlich nahe.

© dpa/US-Navy/AP

Konflikt im Persischen Golf: Iran und USA auf Kollisionskurs

Provokation als Programm: Wie sich die Konfrontation zwischen den USA und dem Iran im Persischen Golf wieder gefährlich hochschaukelt.

Es ist ein unerklärter kalter Krieg. Und er geht offenbar in die nächste Runde. Der Dauerstreit zwischen dem Iran und den USA könnte sogar eskalieren. Erst fuhren vor wenigen Tagen mehrere Schnellboote der Islamischen Republik gefährlich nahe an amerikanische Kriegsschiffe im Persischen Golf heran. Dann schoss die Revolutionsgarde kürzlich Irans ersten Militärsatelliten ins All.

Nur einen Tag später drohte die Garde mit Angriffen auf die US-Marine. Teherans Machtdemonstrationen hätten das Ziel, Donald Trump zu einer Abkehr von seiner Politik des „maximalen Drucks“ zu bewegen, sagt Nahost-Expertin Ellie Geranmayeh. Doch der US-Präsident reagierte mit der Anweisung, die amerikanische Marine solle bei künftigen Provokationen im Golf die Boote der Kontrahenten versenken.

Iran-Hardliner in Washington sowie das verbündete Israel werfen den Mullahs zudem vor, in den Besitz von Interkontinentalraketen gelangen zu wollen.

Teherans Machthaber sind in Bedrängnis

Auf beiden Seiten spielen innenpolitische Motive eine große Rolle. Irans Regime steht zu Hause unter großem Druck, weil sich die Wirtschaftskrise aufgrund der US-Sanktionen und des Ölpreisverfalls verschlimmert. Darüber hinaus sehen sich die Behörden dem Vorwurf ausgesetzt, im Kampf gegen das Coronavirus zu spät gehandelt zu haben.

Vor wenigen Tagen startete der Iran erfolgreich einen Militärsatelliten.
Vor wenigen Tagen startete der Iran erfolgreich einen Militärsatelliten.

© Wana/Sepah News/Reuters

Auch Trump hat wegen seines vielfach kritisierten Umgangs mit der Pandemie und der schnell wachsenden Arbeitslosigkeit allen Grund, von innenpolitischen Problemen ablenken zu wollen. Er werde nicht zulassen, dass die Iraner amerikanische Kriegsschiffe bedrängen und dabei, so Trump, auch noch „Spaß haben“.

Seit Trump vor zwei Jahren den Rückzug der Vereinigten Staaten aus dem Atomvertrag mit dem Iran anordnete und neue Sanktionen gegen Teheran verhängte, bewegten sich beide Länder mehrmals gefährlich nahe am Rand einer militärischen Konfrontation. Zuletzt fachte die Führung in Washington im Januar mit der Ermordung des iranischen Elite-Generals Qassem Soleimani die Spannungen an; der Iran antwortete damals mit Raketenbeschuss auf US-Militärstützpunkte im Irak.

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Nun erklärte der Chef der iranischen Revolutionsgarde, Hossein Salami, die Marine-Einheiten der Garde im Golf hätten Befehl, US-Schiffe anzugreifen, wenn diese die Sicherheit der eigenen Boote gefährden sollten.

„Was wir jetzt sehen, ist die Peitsche“

Nahost-Expertin Geranmayeh von der Londoner Denkfabrik European Council on Foreign Relations (ECFR) vermutet, der Iran wolle Trump zeigen, dass er für seine Politik einen hohen Preis zahlen werde, wenn er nicht rasch umdenke. Gleichzeitig signalisiere die politische Führung in Teheran, dass das Land zu einer Entspannung bereit wäre, wenn der US-Präsident die Sanktionen zurückfahre.

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„Das ist eine Taktik von Zuckerbrot und Peitsche“, sagt Geranmayeh. „Und was wir jetzt von der Revolutionsgarde erleben, ist die Peitsche.“

Trotz des Säbelrasselns wollen beide Seiten einen Krieg vermeiden. Trump stellte klar, dass seine Drohung gegen die Iraner die Einsatzregeln für die amerikanische Marine nicht verändert: Die Kapitäne der US-Kriegsschiffe werden bei Begegnungen mit den Schnellbooten der Revolutionsgarden nach wie vor auf Deeskalation setzen.

Qassem Soleimani war einer der gefürchtesten Militärs im Nahen Osten. Im Januar wurde er von einer amerikanischen Drohne in Bagdad getötet.
Qassem Soleimani war einer der gefürchtesten Militärs im Nahen Osten. Im Januar wurde er von einer amerikanischen Drohne in Bagdad getötet.

© picture alliance /dpa

Gefährlich ist die Lage dennoch. Das liegt aus amerikanischer Sicht nicht zuletzt am Start des iranischen Militärsatelliten „Nuhr“ (Licht). Dabei interessiert sich Washington besonders für das Trägersystem „Kassed“, das den Satelliten ins All brachte. Denn „Kassed“ – persisch für „Bote“ – könnte ein Zeichen dafür sein, dass der „Gottesstaat“ Interkontinentalraketen baut.

US-Außenminister Mike Pompeo sagt, der Satellitenstart sei ein Beweis dafür, dass der Iran militärische Ziele verfolge. John Bolton, ehemaliger Sicherheitsberater im Weißen Haus, forderte auf Twitter eine weitere Verschärfung des Kurses gegenüber Teheran. In einem Brief an Trump verlangten 50 Experten und frühere Regierungsexperten ebenfalls, die Politik des „maximalen Drucks“ auf das Mullahregime zu verstärken.

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Das sehen die Verantwortlichen in Israel ganz genauso. Im jüdischen Staat herrscht parteiübergreifend großer Konsens, dass Teherans Machthaber eine ernsthafte Gefahr für die nationale Sicherheit darstellen. Die Drohung, das „zionistische Gebilde“ müsse ausgelöscht werden, nehmen die Menschen zwischen Haifa und Eilat sehr ernst.

Furcht vor Irans Atomprogramm

Seit Jahren fürchten sie vor allem Irans Raketenprogramm. Und der erste Start eines Militärsatelliten trägt nicht gerade zu Beruhigung bei. Ebenso klar ist auch: Israel dürfte das kaum tatenlos hinnehmen. Seit Jahren setzt Jerusalem alles daran, den Iran und seine Verbündeten in die Schranken zu weisen – und den Bau einer Atombombe zu verhindern.

Wie Premier Netanjahu fordert auch Benny Gantz einen harten Kurs gegenüber Teheran.
Wie Premier Netanjahu fordert auch Benny Gantz einen harten Kurs gegenüber Teheran.

© imago images/Xinhua

Das wichtigste Schlachtfeld dieses kalten Krieges ist seit Jahren Syrien. Israel hat dabei vor allem Teheran-treue Milizen, iranische Stellungen und Einheiten von Machthaber Baschar al Assad im Visier – wortwörtlich. Immer wieder fliegt die Luftwaffe des jüdischen Staats Angriffe auf Militärposten und Waffenlager. Erst vor wenigen Tagen sollen bei einer Attacke in der Nähe der Oasenstadt Palmyra mehre proiranische Kämpfer getötet worden sein.

Israel will Waffenlieferungen an die Hisbollah unterbinden

Ein Ziel dieser Einsätze hat besonders hohe Priorität: Die von Teheran geführte Hisbollah soll nicht in den Besitz von Waffen kommen, die die Schlagkraft und Überlegenheit der israelischen Armee infrage stellen könnten. Premier Benjamin Netanjahu wird nicht müde zu betonen, dass er alles tun werde, um die Aufrüstung der Feinde zu verhindern.

Benny Gantz als sein Partner in der neuen großen Koalition lässt ebenfalls keinen Zweifel daran, was er vom Iran hält. Schon im Wahlkampf betonte der frühere Armeechef, auch mit ihm werde es keine Beschwichtigungspolitik gegenüber Teheran geben. Und: Der Iran werde Israel nicht bedrohen, indem er „Syrien, den Libanon oder den Gazastreifen übernimmt“. Das nennt man wohl eine Kampfansage.

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