China-Besuch von Kanzlerin Merkel:Mission einer Handlungsreisenden

"Eine fast perfekte Symbiose": Die wirtschaftlichen Beziehungen sind so gut wie nie, doch Bundes- und Volksrepublik verbindet inzwischen mehr als nur eine lukrative Geschäftsbeziehung. Bei ihrem Besuch in Peking steht Kanzlerin Merkel dennoch vor einer schweren Herausforderung. Sie soll mit der deutschen Stärke um Vertrauen für den Euro werben, darf aber auch die Menschenrechtsverletzungen nicht vergessen.

Daniel Brössler

Als Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao im April zur Eröffnung der Hannover-Messe kam, überraschte er Bundeskanzlerin Angela Merkel mit einem Anliegen. Ob man die zweiten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen nicht vorverlegen wolle, schlug er vor. Bei den ersten dieser Konsultationen Ende Juni 2011 in Berlin hatten beide Seiten einen zweijährigen Turnus vereinbart. Demnach stünde das nächste Treffen erst im Sommer 2013 auf dem Kalender. Wen aber wollte die gemeinsame Kabinettssitzung noch einmal vor dem im Oktober in Peking anstehenden Führungswechsel durchführen. Ihm sei, so ist zu hören, dieser Dialog ein "Herzensanliegen". Ähnliches gilt für Merkel. Mit nur drei Staaten hat sie während ihrer Kanzlerschaft Konsultationen begründet: mit Israel, mit Indien und eben mit China.

Merkel auf einem Magazin-Cover in China

China ist einer von nur drei Staaten, mit denen Angela Merkel während ihrer Kanzlerschaft Konsultationen begründet hat.

(Foto: dpa)

Wenn Merkel am Mittwoch mit sieben Ministern und einer Wirtschaftsdelegation Richtung Peking aufbricht, so ist es die Reise zu einem Partner, der in den vergangen Jahren wie kaum ein zweiter an Bedeutung gewonnen hat. 2011 erreichte der deutsch-chinesische Handel ein Volumen von knapp 144 Milliarden Euro. Seit 2001 ist er damit um 430 Prozent gewachsen. Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums war China 2011 das fünftwichtigste Exportziel Deutschlands und sein zweitwichtigster Lieferant. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters hofft der Luftfahrtkonzern EADS während des Besuchs auf die Bestellung von bis zu 100 Airbus-Flugzeugen des Typs A 320 durch chinesische Airlines.

Eine "fast perfekte Symbiose" zwischen den Volkswirtschaften Deutschlands und Chinas haben gar die Experten des European Council on Foreign Relations (ECFR) ausgemacht. "China braucht Technologien, Deutschland Märkte", heißt es in einem Papier der Denkfabrik. Als Land mit moderner industrieller Basis werde Deutschland von China als Vorbild gesehen, anders etwa als Großbritannien, das sich von der Industrie weitgehend verabschiedet habe. Für Deutschland böten sich "enorme Chancen", urteilt auch das Wirtschaftsministerium in seinem neuesten Monatsbericht.

Sonderbeziehungen mit China

Bundes- und Volksrepublik verbindet aber mehr als nur eine lukrative Geschäftsbeziehung. Die vielerorts populäre Annahme, letztlich komme es in Europa auf Deutschland an, entspricht dem Denken der chinesischen Führung. In ihrem Streben, die Vormacht des US-Dollars zumindest einzuschränken, hofft sie auf eine Rettung des Euro und setzt dabei ganz auf Deutschland. Wen Jiabao wird sich während der Konsultationen von Merkel auf den letzten Stand der Euro-Krise bringen lassen wollen. Umgekehrt dürfte der Kanzlerin daran gelegen sein, die Wirtschaftsmacht China davon zu überzeugen, dass das Euro-Krisenmanagement funktioniert.

In Berlin wird nicht bestritten, dass so etwas wie eine Sonderbeziehung entstanden ist. Es wird sehr aufmerksam die Bedeutung registriert, die in China Deutschland beigemessen wird. Nicht so klar ist, was daraus folgt. Auf Merkel kommt in Peking, nicht zum ersten Mal, eine Aufgabe als Handlungsreisende in Sachen Euro zu.

Sie soll mit der deutschen Stärke um Vertrauen werben und gerne auch um Investitionen. Andererseits muss sie den Eindruck vermeiden, Deutschland koche seine eigene chinesische Suppe. Deutschland sei "der größte und auch der bevorzugte Wirtschaftspartner" der Chinesen in Europa, wird im Monatsbericht des Wirtschaftsministeriums festgestellt. "Aber es wäre kurzsichtig", wird gewarnt, "diese privilegierte Stellung auszunutzen und deutsche gegen europäische Interessen ausspielen zu wollen. Die chinesische Regierung registriert Divergenzen in der Politik der EU-Mitgliedstaaten sehr genau und ist natürlich bestrebt, sie zu ihren Gunsten zu nutzen."

Die falschen Gesprächspartner

Als ziemlich offen muss auch gelten, ob durch das offene Ohr, das Merkel in Peking genießt, sich weltpolitisch etwas bewegen lässt. Thema der Konsultationen werden die großen internationalen Krisen sein, etwa jene um das iranische Atomprogramm und das drohende militärische Eingreifen Israels. Auch über die Lage in Syrien wird gesprochen werden. Gerade an diesem Beispiel aber hat sich gezeigt, wie schwer sich das wirtschaftlich erstarkte und politisch gefragte China als globaler Akteur tut.

Deutsche Diplomaten haben in den vergangenen Monaten immer wieder die Hoffnung geäußert, China könne sich im UN- Sicherheitsrat von Russland emanzipieren und von dessen Unterstützung für Syriens Präsident Baschar al-Assad abrücken. Das energiehungrige China könne es sich, so das Kalkül, auf Dauer nicht mit großen Teilen der arabischen Welt verscherzen. Bisher aber bewegt sich die chinesische Führung so gut wie nicht. An der Doktrin der "Nichteinmischung in innere Angelegenheiten" lässt sie nicht rütteln.

Das gilt auch für Kritik an Menschenrechtsverletzungen im eigenen Land. Da spätestens hört die Freundschaft zu Deutschland auf. Eine Reise der deutsch-chinesischen Parlamentariergruppe nach China musste abgesagt werden. Die Bundestagsabgeordneten hatten sich die falschen Gesprächspartner gewünscht, Vertreter der uigurischen Minderheit zum Beispiel oder protestierende Wanderarbeiter.

Das potente und selbstbewusste China nötigt Angela Merkel den klassischen Spagat ab: Sie will den deutschen Bonus nutzen und ihre Gesprächspartner nicht verprellen, aber auch nicht den Eindruck erwecken, sie vergesse angesichts chinesischer Macht westliche Werte. So soll es auch wieder das traditionelle Treffen mit der "Zivilgesellschaft" geben. Diesmal sind Umweltaktivisten geladen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: