Forum:Trump gefährdet den Welthandel

Forum: Sebastian Dullien ist Senior Policy Fellow beim European Council on Foreign Relations und Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin.

Sebastian Dullien ist Senior Policy Fellow beim European Council on Foreign Relations und Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin.

(Foto: Jens Sage/HTW Berlin)

Die geplante Reform der US-Unternehmensteuer könnte einen globalen Handelskrieg auslösen.

Von Sebastian Dullien

Wenn in Deutschland über die Gefahren eines US-Präsidenten Donald Trump für die Weltwirtschaft berichtet wird, geht es vor allem um seine Drohungen gegen China, Strafzölle einzuführen. Oft wird dabei das Schreckgespenst eines Handelskrieges an die Wand gemalt, der sowohl dem Wirtschaftswachstum in den USA als auch in China schaden könnte. Tatsächlich aber sollten sich die Deutschen viel mehr Sorgen um ein anderes Trump-Vorhaben machen: Die vorgeschlagene Reform der Unternehmensteuer. Trumps Ideen haben hier das Potenzial, nicht nur in einen Handelskrieg mit China zu münden, sondern dem Welthandel als Ganzes nachhaltig zu schaden.

Zwar hat Trump noch keinen ausformulierten Steuerplan auf den Tisch gelegt. Seine Äußerungen und die seiner Berater deuten aber darauf hin, dass er den im vergangenen Sommer vorgelegten Plänen des Sprechers des Abgeordnetenhauses, Paul Ryan, folgen wird. Danach wollen die Republikaner die Unternehmensteuer in den USA, die bisher wie in Deutschland Firmengewinne besteuert, durch eine Cashflow-Steuer mit einem "steuerlichen Grenzausgleich" (dem sogenannten "Border Tax Adjustment") ersetzen. Dabei würde künftig eine Steuer auf die Differenz zwischen Unternehmenseinnahmen und Unternehmensausgaben (dem Cash-Flow) erhoben. Ein wichtiger Unterschied zur bisherigen Regelung ist, dass damit Ausgaben für die Anschaffung von Maschinen dann schon im ersten Jahr ganz abgesetzt werden können, statt über mehrere Jahre abgeschrieben werden zu müssen. Wer investiert, zahlt damit schon im Anschaffungsjahr ganz massiv weniger Steuern. Das macht Investitionen attraktiver, und die Republikaner hoffen, dass sie so die Wirtschaft ankurbeln können.

Für die Wirkung auf den Außenhandel aber ist das zweite Element wichtiger, der "steuerliche Grenzausgleich". Unter diesen Regeln dürften Unternehmen künftig Zahlungen für Importe nicht mehr als Ausgaben absetzen, müssten dafür aber Einnahmen aus Exporten auch nicht mehr versteuern. Wenn ein amerikanischer Einzelhändler also künftig ein Paar Schuhe in den USA für 100 Dollar verkauft, die er aus Italien für 70 Dollar importiert hat und für deren Verkauf er 25 Dollar für Personalkosten in den USA aufgewendet hat, muss er künftig auf eine Summe von 75 Dollar (100 Dollar minus 25 Dollar) einen bestimmten Steuersatz x bezahlen, obwohl der tatsächliche Gewinn nur 5 Dollar ist.

Wenn die gleichen Schuhe vom Händler aber für ebenfalls 70 Dollar von einer Fabrik in den USA gekauft werden, fällt die Steuer nur auf 5 Dollar an, weil nun diese 70 Dollar vom Cash Flow abgezogen werden dürfen. Wenn der Händler die Schuhe gar ins Ausland verkauft, fallen bei ihm gar keine Unternehmensteuern an.

Wer neue Handelsbarrieren errichtet, muss mit Gegenreaktionen rechnen

Es lässt sich leicht erkennen, dass damit Importe für den Händler teurer werden und es gleichzeitig attraktiver wird, ins Ausland zu exportieren. Ökonomisch wirkt ein solches Steuersystem also wie ein Zoll auf Importe und eine Subvention für Exporte. Damit hätte diese Steuerreform gravierende Konsequenzen für den transatlantischen Handel und auch für die deutsche Wirtschaft.

Dabei fangen die Probleme aber gerade erst an. Die Steuerreform birgt die Gefahr, darüber hinaus zu einem globalen Handelskrieg zu führen und das Welthandelssystem nachhaltig zu beschädigen. Ein wie von den Republikanern geplanter "steuerlicher Grenzausgleich" ist nach gängiger Interpretation der Regeln der Welthandelsorganisation WTO nur für indirekte Steuern wie etwa die Mehrwertsteuer zulässig, nicht aber für direkte Steuern wie Einkommen- oder Unternehmensteuern.

Die Republikaner halten diese Interpretation für ungerecht und wollen sich außerdem nicht von der WTO vorschreiben lassen, welche Steuergesetze sie erlassen dürfen. Wenn aber der US-Kongress eine solche Steuerreform verabschiedet, werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Handelspartner vor der WTO dagegen vorgehen. Allerdings ist dies nach WTO-Regeln erst möglich, wenn das neue Gesetz in Kraft getreten ist. Dann beginnt ein kompliziertes Streitschlichtungsverfahren, an dessen Ende die WTO über die Rechtmäßigkeit der neuen Steuerregeln entscheidet. Allerdings kann die WTO kein Mitglied zwingen, unzulässige Regeln auch wieder zu ändern. Die Organisation kann einzig den Handelspartnern erlauben zurückzuschlagen - etwa mit Strafzöllen auf amerikanische Produkte.

Im Fall der US-Steuern bedeutet dies: Egal, wie die WTO am Ende über die rechtliche Zulässigkeit entscheidet, das Ergebnis dürfte dem Welthandel massiv schaden. Bewertet die WTO die Steueränderung als illegal, dann ist die Frage, ob der US-Kongress alleine deswegen seine Steuerreform wieder kassiert. Die republikanischen Abgeordneten sind üblicherweise nicht bekannt dafür, sich irgendetwas von internationalen Organisationen vorschreiben zu lassen. Lehnt der Kongress dann die Rücknahme der Reform ab, wäre die Folge eine nächste Eskalationsstufe. Schon, um nicht die eigene Machtlosigkeit einzugestehen, dürften zumindest einzelne Handelspartner mit Strafzöllen reagieren. Der Auftakt zu einem Handelskrieg wäre geschafft.

Bewertet die WTO dagegen die Pläne als legal, so dürften andere Länder mit ähnlichen Steuerregeln folgen - der "steuerliche Grenzausgleich" für die Unternehmensteuer bietet einfach ein zu verführerisches Instrument, um die eigene Wirtschaft gegenüber ausländischen Konkurrenten zu stärken. Das Ergebnis: Auch ganz ohne neue Zölle würden weltweit die Handelsschranken wachsen und der Welthandel erschwert. Das Bedrohliche an Trumps Steuerplänen ist, dass eine Umsetzung tatsächlich ziemlich wahrscheinlich ist. Der Vorschlag kommt jetzt zwar von den Republikanern, schon 2010 wurde allerdings ein ähnliches Konzept auf demokratischer Seite debattiert. Und auch jene Republikaner, die eigentlich gegen Zölle und für den Freihandel sind, dürften die Pläne unterstützen - schließlich winkt am Ende eine lange ersehnte Steuersenkung für die US-Wirtschaft.

Gewisse Hoffnung besteht einzig, dass die großen US-Einzelhandelsketten wie Walmart das Vorhaben noch durch gezielte Lobbyarbeit zu Fall bringen. Schließlich ist es das Geschäftsmodell dieser Ketten, Güter zu importieren und in den USA weiter zu verkaufen. Ob diese Interessensgruppe aber stark genug ist, um die Pläne zu stoppen, bleibt abzuwarten. Für Deutschland steht dabei einiges auf dem Spiel: Die Vereinigten Staaten kauften zuletzt pro Jahr für mehr als 110 Milliarden Euro Waren aus Deutschland - so viel wie kein anderes Land der Erde.

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