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Russlands Krieg in Syrien: Putin bombt für Assad

Foto: ABDALRHMAN ISMAIL/ REUTERS

Syrien-Strategie Russlands Traum von der Weltmacht

Die Jets des Kreml bombardieren Syrien, Moskaus Medien schüren Euphorie. Schon wird in Russland über die Rückeroberung des Landes für Assad spekuliert - und über das eigene Comeback als Großmacht.

Das Restaurant "Andiamo" liegt in Moskaus Zentrum, ein paar Schritte sind es zum Ufer der Moskwa. Die Speisekarte führt italienische Pizza und Pasta für die Massenkundschaft, aber auch Spezialitäten aus dem Nahen Osten. Eigentümer des "Andiamo" ist ein Syrer.

Der Journalist Maxim Schewtschenko, 49, sitzt bei Humus mit Fladenbrot und ist noch immer erschüttert von seiner Reise nach Homs. Er hat Silvester in Syrien verbracht, an der Front. Kämpfer der mit Assad verbündeten Hisbollah haben ihn dorthin gebracht. Schewtschenko hat in Homs das Minarett der Hauptmoschee erklommen. Die Stadt sei "nur noch ein Meer schneebedeckter Ruinen". Sie rufe Erinnerungen wach an Stalingrad. Er habe "Afghanistan gesehen und Tschetschenien, aber noch nie einen so totalen Krieg".

Schewtschenko hat eine Sendung beim Sender NTW, der dem Energiekonzern Gazprom gehört. Er kann mit beißendem Spott über Amerika ätzen, aber er war auch ein Freund des vor fast einem Jahr erschossenen Oppositionsführers Boris Nemzow.

Im "Andiamo" gibt er einen Standpunkt wieder, den in Moskau oft hört, wer nach Syrien fragt: Europa und Amerika seien naiv. Assad stehe für die letzten Reste des säkularen Syriens. Sollte er stürzen, werde es zu einem noch schlimmeren Massaker kommen. Die prowestliche Opposition habe praktisch keinen Einfluss. Die wahre Macht liege in der Hand bewaffneter Islamisten. "Mit wem", fragt Schewtschenko, "will der Westen denn das neue Syrien aufbauen?"

Umso wichtiger sei die russische Intervention. Der Kreml sieht sich in Syrien auf dem Weg zum Sieg - und Russland feiert sein Comeback als globales Schwergewicht. "Die Einmischung in Syrien markiert Moskaus Rückkehr auf die Weltbühne als entscheidender Akteur", glaubt Ruslan Puchow, Rüstungsanalytiker des Militär-Thinktanks CAST. Weil Russland seine Interessen erstmals außerhalb des Ostblocks militärisch untermauere, "müssen die USA sie in Betracht ziehen, ob es ihnen passt oder nicht".

Der Trumpf des Kreml ist das Militär, es wurde umfassend modernisiert. Experten überrascht, dass Moskau die hohe Intensität der Angriffswellen über Monate aufrechterhält - mit überschaubarem Materialaufwand. Mehr als 7000 Flüge haben die Maschinen in den vergangenen vier Monaten absolviert, dabei sind auf dem Stützpunkt Hmeimim in Syrien gerade einmal 40 Flugzeuge stationiert, halb so viele, wie etwa auf den US-Flugzeugträger U.S.S. "Truman" passen.

Bis auf den Abschuss eines Jets durch die Türkei haben Russlands Luftstreitkräfte bislang keine Verluste erlitten. Das war noch vor wenigen Jahren anders. Der Fünftagekrieg gegen Georgien etwa geriet zum Desaster: Sieben Maschinen wurden abgeschossen, bei gerade einmal 86 Starts. Russland habe seine logistischen Prozeduren verbessert und im Norden Syriens eine eigene Flugverbotszone gegen den Westen errichtet, heißt es in einem Bericht des Thinktanks European Council on Foreign Relations.

Assad-Freunde in Moskau träumen von geeintem Syrien

In Russland schürt das eine euphorische Stimmung. Täglich verbreiten Kreml-Medien neue Triumphmeldungen: "Riesige Verluste der Terroristen bei Aleppo", berichtet das Webportal Lifenews. "Immer mehr Freiwillige schließen sich Assad an", behauptet der TV-Sender Rossija. Vorwürfe wie der, russische Piloten könnten für den Angriff auf ein Krankenhaus in der Provinz Idlib verantwortlich sein, stören da nur. Zu dem aktuellen Vorfall gibt es noch keine Stellungnahme aus Syrien.

Hardliner in Moskau träumen bereits davon, das ganze Land wieder unter Assad zu vereinen. Vor wenigen Wochen sorgte Präsident Putin noch für Spekulationen um russisches Asyl für den Präsidenten. Davon ist jetzt keine Rede mehr, er soll bleiben.

Präsidenten Assad (l.), Putin: Enge Verbindungen bleiben bestehen

Präsidenten Assad (l.), Putin: Enge Verbindungen bleiben bestehen

Foto: ALEXEY DRUZHININ/ AFP

Die Realisten dagegen ahnen, dass sich das Kriegsglück wenden könnte. Sie fürchten, Russland könnte es übertreiben. Im Lauf der Geschichte habe der Kreml "noch immer das Risiko einer Niederlage dem Kompromiss vorgezogen", hat der frühere US-Außenminister Henry Kissinger einmal bemerkt. Moskaus Ressourcen sind begrenzt.

Präzisionswaffen und "smart bombs" machen nur einen geringen Teil des Arsenals aus. Trotz großer Fortschritte: Moskaus Luftstreitkräfte erreichen derzeit nach Einschätzung von Rüstungs-Experten des Moskauer Zentrums CAST gerade einmal den technischen Stand der US-Air Force während der Operation "Desert Storm" gegen den irakischen Diktator Saddam Hussein vor 25 Jahren.

Umbau von Syrien in eine Konföderation?

Der Nahostkenner Schewtschenko hofft, dass Russland langfristig in der Region präsent bleibt. "Wer im Drama des Nahen Ostens keine Rolle spielt, wird Randfigur der internationalen Politik", glaubt er. Für Syrien könnte er sich eine Konföderation vorstellen, zum Beispiel nach dem Vorbild Bosniens.

Wichtig sei, das Land in seinen heutigen Grenzen zu erhalten. Sollte es zerfallen, würden die Nachbarn in das Vakuum stoßen. Konflikte zwischen Iran und Türkei seien programmiert, "und die Saudis bringen den radikalen Islam in Stellung".

Zum Abschied sagt Schewtschenko, der Westen solle sich keine Illusionen machen. Im Nahen Osten gebe es derzeit keine Chance für eine Demokratie. Wichtiger sei "die Kunst, das Gleichgewicht der Kräfte zu wahren".

Video: SPIEGEL TV-Reportage über den Syrienkrieg (Teil1)

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Video: SPIEGEL TV-Reportage über den Syrienkrieg (Teil2)

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Zusammengefasst: Täglich fallen russische Bomben auf Syrien. Diese sollen Machthaber Assad nützen. Für viele Hardliner ist die Einmischung aber auch ein Signal: Russland ist als militärische Weltmacht wieder ernst zu nehmen. Doch überschätzt sich der Kreml?

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