Akzentverschiebung ohne Kursänderung

Die Sorge, Polen werde unter Präsident Duda wieder den konfrontativen Kurs der Ära Kaczynski einschlagen, ist verfrüht. Mit einem markanteren Auftreten ist jedoch zu rechnen.

Meret Baumann, Wien
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Andrzej Duda in seinem Wahlkampf-Bus. Wohin sich Polen aussenpolitisch unter ihm bewegt, ist noch unklar. (Bild: Reuters)

Andrzej Duda in seinem Wahlkampf-Bus. Wohin sich Polen aussenpolitisch unter ihm bewegt, ist noch unklar. (Bild: Reuters)

Wie es den diplomatischen Gepflogenheiten entspricht, ist Andrzej Duda nach seiner Wahl zum polnischen Präsidenten mit Gratulationen aus zahlreichen Hauptstädten bedacht worden. Kritik oder Vorbehalte verbieten sich bei diesem Ritual, doch auffällig viele Politiker verliehen in ihren Schreiben der Hoffnung Ausdruck, das vertrauensvolle Verhältnis mit Warschau möge auch in Zukunft bestehen.

Irrlichternde Kaczynskis

Zahlreiche Zeitungskommentatoren meldeten nach der Wahl des Kandidaten der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) allerdings offene Bedenken in Bezug auf die künftigen Beziehungen zu Brüssel an. Die britische «Times» frohlockte gar, London habe nun in Polen einen Verbündeten für die Neuausrichtung der EU-Mitgliedschaft.

Die Sorge ist vor dem Hintergrund der PiS-Herrschaft zwischen 2005 und 2007 nachvollziehbar. Damals hatten die Kaczynski-Zwillinge die Regierungsspitze und das Präsidentenamt inne und vergifteten mit ihrer irrlichternden Aussenpolitik das Verhältnis zu Berlin, Brüssel und Moskau. Dennoch ist die Angst, Polen werde erneut zum Sorgenkind Europas, zumindest verfrüht. Zwar räumt die Verfassung dem Staatsoberhaupt eine Mitsprache bei der Aussen- und Sicherheitspolitik ein. Die politische Richtung gibt aber die bürgerlich-liberale Regierung von Ministerpräsidentin Ewa Kopacz vor.

Entscheidend für den künftigen Kurs Polens sind somit die Parlamentswahlen im Herbst. Umfragen gingen bisher von einem Kopf-an-Kopf-Rennen der PiS und der Regierungspartei Bürgerplattform (PO) aus. Die PiS ist nun aber beflügelt. Ihr Spitzenkandidat wird der polarisierende Parteichef Jaroslaw Kaczynski sein, der im Gegensatz zu Duda den von den Polen gewünschten Wandel kaum verkörpert. Eine Rückkehr an die Macht hängt zudem von der Fähigkeit ab, eine Koalition zu bilden, die zuletzt eher bei der PO als der PiS gegeben war.

Ebenso ungewiss erscheint derzeit auch die aussenpolitische Linie der PiS. Der Präsidentschaftswahlkampf war trotz der begrenzten Macht des Staatsoberhaupts gänzlich auf die Innenpolitik ausgerichtet. Duda präsentierte sich als Europaskeptiker und betonte, Polen müsse seine nationale Identität bewahren können. Er tat dies aber nicht angriffig und polternd, wie man es von Kaczynski gewohnt ist. Einen Beitritt zur Euro-Zone lehnt Duda ab – im Einklang mit einem grossen Teil der politischen Exponenten Polens.

Die Wahl vom Sonntag sei kein Entscheid gegen Europa gewesen, erklärt Piotr Buras vom European Council on Foreign Relations in Warschau im Gespräch. Duda habe keine präzisen Vorstellungen einer Aussenpolitik. Solange die Cohabitation mit einer liberalen Regierung andaure, könne es aber zum Streit darüber kommen, ob der Präsident oder die Regierungschefin Polen im Europäischen Rat vertritt. Würde die PiS auch die Regierungsmacht übernehmen, erwartet Buras eine weniger kompromissbereite Haltung des Landes in der Klima- oder Migrationspolitik – Bereiche, die allerdings schon bis anhin Streitpunkte zwischen Warschau und Brüssel sind.

Klare Westorientierung

Die seit der Kaczynski-Ära veränderte geopolitische Lage schränkt den Spielraum der polnischen Aussenpolitik jedoch ein. Der Konflikt im Nachbarland Ukraine hat das Verhältnis zu Russland zerrüttet. In der Russlandpolitik sind die Positionen der PiS und der PO weitgehend identisch. Allerdings beklagt die PiS, Warschau habe sich deutschen Interessen unterworfen, und das derzeit sehr enge Verhältnis zu Berlin würde unter einer PiS-Regierung wohl eine Abkühlung erfahren. Buras sieht darin allerdings eher propagandistische Zwecke, zumal die geschichtspolitischen Debatten, welche die Kaczynskis einst anzettelten, abgeschlossen sind. Die enge Anlehnung an die USA, die sowohl Duda als auch die Bürgerplattform wollen, setzt für Washington zudem gute Beziehungen zu Deutschland voraus.

Selbst wenn die PiS die ganze Macht in Polen zurückerlangen sollte, muss man in Europa nicht mit einem grundsätzlich neuen Kurs der polnischen Aussenpolitik rechnen, durchaus aber mit neuen Akzenten. Ob diese im gemässigten Stil Dudas oder auf die konfrontative Art Kaczynskis gesetzt werden, ist offen. Dass es der PiS mit Duda erstmals seit zehn Jahren gelang, eine Wahl zu gewinnen, lässt auf Ersteres hoffen.

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