Eine Wahl ohne echten Wettbewerb in Iran

Vor der Parlamentswahl in Iran sind nicht nur die meisten Reformer, sondern auch viele moderate Konservative disqualifiziert worden. Die Hardliner werden wohl das künftige Parlament beherrschen – der Preis dürfte eine geringe Wahlbeteiligung sein.

Ulrich von Schwerin
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Iraner unter einem Porträt von Ayatollah Khomeini, dem Führer der islamischen Revolution (1979). Einige der Manifestanten tragen Bilder des Kommandanten der Revolutionswächter, General Kassem Soleimani, der im Januar von den Amerikanern getötet worden war.

Iraner unter einem Porträt von Ayatollah Khomeini, dem Führer der islamischen Revolution (1979). Einige der Manifestanten tragen Bilder des Kommandanten der Revolutionswächter, General Kassem Soleimani, der im Januar von den Amerikanern getötet worden war.

Morteza Nikoubazl / Getty

Wahlen in Iran waren schon immer ein Wettbewerb mit eingeschränkter Wahlmöglichkeit. Die anstehende Parlamentswahl am 21. Februar dürfte aber noch einmal alle vorherigen Urnengänge in der Geschichte der Islamischen Republik übertreffen. Denn der Wächterrat hat im Vorfeld nicht nur fast alle Kandidaten der Reformer disqualifiziert, sondern auch viele moderate Konservative ausgeschlossen. Alles deutet darauf hin, dass die Hardliner das künftige Parlament dominieren werden. Für den Konflikt mit den USA verheisst das nichts Gutes.

Von den rund 16 000 Bewerbern für die 290 Sitze wurden 9000 vom Wächterrat disqualifiziert, einem Gremium aus sechs vom Parlament gewählten Juristen und sechs Geistlichen, die vom Revolutionsführer Ayatollah Ali Khamenei ernannt worden waren. Unter den abgelehnten Bewerbern sind auch 90 Mitglieder des gegenwärtigen Parlaments. Selbst Ali Motahhari, ein prominenter konservativer Abgeordneter und Sohn des islamistischen Ideologen Morteza Motahhari, wurde nicht zugelassen.

Präsident Hassan Rohani reagierte frustriert auf das rigorose Vorgehen des Wächterrats. «Dies ist keine Wahl. Dies ist wie ein Laden mit 2000 Produkten derselben Marke. Die Leute wollen Vielfalt», sagte Rohani bei einer Kabinettssitzung. Alle Parteien und Gruppen müssten zur Wahl antreten dürfen, und das Land dürfe nicht von einer einzigen Fraktion beherrscht werden. Doch Khamenei wies die Kritik scharf zurück und warnte davor, den Wahlprozess infrage zu stellen.

Selbst ein Khomeiny ist vor Disqualifizierung nicht sicher

Wenn die Hardliner im Parlament eine Mehrheit erhielten, würde Rohanis Handlungsspielraum noch weiter eingeschränkt, mahnt die Iran-Expertin Ellie Geranmayeh. «Auch wenn das iranische Parlament im Entscheidungsprozess zuletzt zunehmend marginalisiert worden ist, könnte eine Übernahme durch die Hardliner Rohanis der Regierung das Leben noch schwerer machen», schreibt die Analystin vom European Council on Foreign Relations in einer Analyse.

Mit der Disqualifizierung der Reformer setzt sich ein langjähriger Trend fort. Auch bei früheren Wahlen waren immer wieder altgediente Politiker ausgeschlossen worden, selbst führende Angehörige der Staatselite wie der reformorientierte Geistliche Hassan Khomeiny, ein Enkel des Staatsgründers Ayatollah Khomeiny. Die Gründe, die der Wächterrat dafür anführte, konnten nie darüber hinwegtäuschen, dass der Ausschluss vorwiegend politischen Erwägungen folgte.

Alle Versuche der Reformer, das Recht des Wächterrats zur Überprüfung der Kandidaten einzuschränken, scheiterten. Durch die Vorauswahl der Kandidaten hat sich das politische Spektrum immer mehr verengt. Wurden nach der Revolution 1979 noch vor allem Monarchisten, Kommunisten und Liberale von den Wahlen ausgeschlossen, traf es seit Ende der 1980er Jahre auch Linksislamisten und Nationalreligiöse. Heute werden selbst moderate Konservative disqualifiziert.

Die Reformer haben viel Rückhalt verloren

Im bisherigen Parlament stellte ein Bündnis aus Reformern, Moderaten und gemässigten Konservativen um Rohani den grössten Block, darauf folgten Hardliner und Unabhängige. Eine genaue Abgrenzung der grossen Strömungen der «eslahtaleban» (Reformer) und der «osulgerayan» (Konservativen) ist allerdings oft schwierig, da es sich nicht um formelle Parteien handelt, sondern um lose Netzwerke, die sich in mehrere Untergruppen aufteilen, die wechselnde Bündnisse eingehen.

Vor den Wahlen nun wurden nach Angaben der Reformer 90 Prozent ihrer Kandidaten als ungeeignet abgewiesen, so dass sie in 230 der 290 Wahlkreisen keine eigenen Kandidaten hätten. Vielerorts würden die verschiedenen Strömungen der Konservativen das Rennen unter sich ausmachen, und in 160 Fällen werde nur ein einziger Kandidat antreten, so dass die Bürger überhaupt keine Wahlmöglichkeit hätten, erklärten die Reformer. Unabhängig bestätigen lassen sich die Zahlen nicht.

Mit dem Ausschluss ihrer Kandidaten dürfte das Schicksal der Reformer und Moderaten besiegelt werden. Doch auch so waren ihre Aussichten düster. Wie Geranmayeh schreibt, haben sie seit der Wahl 2016 stark an Rückhalt eingebüsst. Viele ehemalige Unterstützer werfen ihnen vor, den Hardlinern in Justiz und Sicherheitsapparat zu wenig entgegengesetzt zu haben. Auch hätten sie versagt dabei, das politische Feld für neue Kräfte zu öffnen und das Meinungsspektrum zu erweitern.

Rohani war 2013 zur Präsidentenwahl mit dem Versprechen angetreten, durch die Beilegung des Atomstreits die Aufhebung der schmerzhaften Finanz- und Handelssanktionen zu erreichen. Durch einen Ausgleich mit dem Westen wollte er die Reintegration Irans in die Weltwirtschaft erreichen und durch die Öffnung für ausländische Investoren die schwächelnde Wirtschaft in Schwung bringen. Khamenei sah den Plan stets mit Skepsis, billigte ihn aber mangels besserer Optionen.

 Viele Kandidaten der Reformer und Moderaten um Präsident Hassan Rohani sind nicht zur Wahl zugelassen worden. Allerdings hat der gemässigte Kleriker ohnehin viel Rückhalt bei den Wählern verloren, da seine Politik des Dialogs und der Öffnung gescheitert ist.

Viele Kandidaten der Reformer und Moderaten um Präsident Hassan Rohani sind nicht zur Wahl zugelassen worden. Allerdings hat der gemässigte Kleriker ohnehin viel Rückhalt bei den Wählern verloren, da seine Politik des Dialogs und der Öffnung gescheitert ist.

Carlo Allegri / Reuters

Zwar gelang es Rohani und seinem Aussenminister Mohammed Zarif in langwierigen Verhandlungen mit den fünf Uno-Vetomächten und Deutschland, eine Lösung im Atomstreit zu finden. Sechs Monate nach dem Abschluss des Wiener Atomabkommens im Juli 2015 wurden die in dem Konflikt verhängten Sanktionen aufgehoben. Doch viele westliche Konzerne blieben vorsichtig, und durch die Wahl von Donald Trump wurde Rohanis Strategie der Öffnung grundsätzlich infrage gestellt.

Schon im Wahlkampf hatte der Republikaner versprochen, das Abkommen seines Vorgängers Barack Obama «zu zerreissen». Im Mai 2018 war es dann so weit, und allen Protesten und Warnungen der Verbündeten zum Trotz stiegen die USA aus dem Atomabkommen aus. Seitdem hat Trump scharfe neue Finanz- und Handelsbeschränkungen gegen Iran verhängt und mit seiner Politik des «maximalen Drucks» die Region wiederholt an den Rand eines Krieges geführt.

Die Führung muss eine niedrige Wahlbeteiligung fürchten

Zwar haben die Sanktionen die iranische Wirtschaft hart getroffen, doch einen Kurswechsel in Teheran haben sie nicht bewirkt. Khamenei fühlt sich durch Trumps Bruch des Atomabkommens in seinem Misstrauen gegenüber den USA bestärkt und lehnt neue Verhandlungen als sinnlos ab. Die Hardliner in Justiz, Geheimdienst und bei den Revolutionswächtern frohlocken und sehen sich in ihrer Ablehnung von Rohanis Politik des Dialogs, der Öffnung und des Ausgleichs bestätigt.

Die Zunahme der Spannungen nach der Tötung von General Kassem Soleimani durch die USA Anfang Januar spielt den Hardlinern ebenfalls in die Hände. Die Revolutionswächter können sich nun als Verteidiger der Nation präsentieren. Allerdings haben sie durch den versehentlichen Abschuss eines Passagierflugzeugs im Januar viel Ansehen verspielt. Auch die brutale Niederschlagung der Proteste gegen die Erhöhung der Benzinpreise im November, bei der Hunderte Demonstranten getötet wurden, hat in der Bevölkerung viel Bitterkeit hinterlassen.

Die Enttäuschung über die Reformer und die Wut auf die Hardliner könnten nun dazu führen, dass nur wenige Wähler an die Urne gehen. Auch Geranmayeh meint, dass viele Unterstützer Rohanis «erschöpft, frustriert und zunehmend hoffnungslos» seien und daher zu Hause bleiben würden. Für die Führung, die gerne die hohe Wahlbeteiligung als Beweis für den demokratischen Charakter des Systems herausstreicht, wäre das problematisch. Denn ein Urnengang ohne echten Wettbewerb und auch noch ohne Wähler wäre endgültig eine Farce.

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