Gastkommentar

Mit Kanonen auf Spatzen schiessen? Warum die Drohnenbekämpfung so schwierig ist

Es gibt grundsätzlich drei Möglichkeiten, unliebsame Drohnen zu bekämpfen: kinetisch (abschiessen), elektronisch (Störsender) und durch Abfangen (zum Beispiel mit einer eigenen Drohne). Jede Methode hat ihr Problem.

Ulrike Franke
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Wer eine Drohne bei öffentlichen Anlässen nutzt, braucht künftig eine Bewilligung. (Bild: Christian Beutler / Keystone)

Wer eine Drohne bei öffentlichen Anlässen nutzt, braucht künftig eine Bewilligung. (Bild: Christian Beutler / Keystone)

Reisen in der Weihnachtszeit ist generell kein Vergnügen. Wer jedoch letztes Jahr kurz vor Heiligabend aus London abzureisen versuchte, dem war ein besonders schweres Los beschieden. Für 36 Stunden blieben am Flughafen London Gatwick, dem siebtgrössten Flughafen Europas, alle Flugzeuge am Boden. 140 000 Menschen strandeten, 1000 Flüge fielen aus. Der Grund: Eine oder mehrere Drohnen waren über dem Flughafengelände gesichtet worden. Aus Sicherheitsgründen stoppten die Verantwortlichen alle Starts und Landungen.

Sicherheitsprobleme

Es mag erstaunen, dass von kleinen zivilen Drohnen eine solche Gefahr ausgehen soll. Doch bereits Vögel (Schwärme) sind für Flugzeuge gefährlich – wie die spektakuläre Notlandung einer US-Airways-Maschine auf dem Hudson River im Sommer 2013 zeigte. Drohnen bestehen aus Kunststoff, Metall und Batterien – wenn diese auf Flugzeugtriebwerke oder Cockpitscheiben treffen, besteht reale Gefahr für Leib und Leben. Auch am Boden müssen wir uns zunehmend Gedanken machen über die Gefahren, die von Drohnen ausgehen. Im September 2013 wurde ein schönes Bild aufgenommen: Darauf zu sehen ist die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, ihr damaliger Verteidigungsminister Thomas de Maizière und zwei andere CDU-Politiker. Alle vier schauen – interessiert, amüsiert oder konsterniert – auf eine kleine, bunte Drohne, die vor der Bühne schwebt. Kurz darauf stürzt die Drohne ab. Die Piratenpartei wollte mit der Aktion gegen die Beschaffung von Militärdrohnen protestieren.

Vor fünf Jahren war so etwas ein PR-Gag. Heute würde ein solcher Vorfall zu evakuierten Bühnen und geschlossenen Veranstaltungsgeländen führen. Denn Sicherheitsdienste weltweit müssen davon ausgehen, dass Drohnen gefährlich sein können. Der (damalige) venezolanische Präsident Nicolas Maduro musste das im August 2018 am eigenen Leib erfahren, als auf einer Kundgebung zwei Drohnen in seiner Nähe explodierten. Angriffe mit Drohnen auf Prominente, auf Flugzeuge, terroristische Anschläge oder Unfälle durch Unachtsamkeit sind zunehmend wahrscheinlich. Aber was tun?

Verbieten ist keine Option, nicht nur, weil es hierfür zu spät ist, sondern auch, da Drohnen in den unterschiedlichsten Bereichen und zum Nutzen aller eingesetzt werden können: bei der Feuerwehr; um Medikamente oder Blutkonserven zu transportieren (sogar Defibrillationsdrohnen gibt es); zur Inspektion von Pipelines oder Bahntrassen und mehr. Doch Flugplätze, aber auch Gefängnisse, sowie Menschen und Grossveranstaltungen müssen geschützt werden. Das ist erstaunlich schwierig: In London Gatwick konnten weder die Drohne(n) vom Himmel geholt noch ihre Piloten ermittelt werden.

Oft ist es schon ein Problem, eine Drohne rechtzeitig zu entdecken. Die meisten zivilen Drohnen sind klein und fliegen langsam. Radarsysteme erkennen sie daher oft nicht. Als im Juni 2016 eine Drohne in der Nähe des Flughafens Ottawa gesichtet wurde, schickte das kanadische Militär zwei CF-18-Kampfjets, um sie abzufangen – diese konnten die Drohne dann aber nicht mehr finden. Auch ein Sprecher des Flughafens Zürich erklärt: «Wir verfügen derzeit über kein System der Drohnen-Erkennung.»

Der Vorfall in Ottawa zeigt auch, wie schwierig es ist, eine Drohne kostengünstig vom Himmel zu holen. Kampfjets gegen Drohnen – selten passte die Redewendung «mit Kanonen auf Spatzen schiessen» besser. Ein solcher Einsatz ist finanziell nicht tragbar – und derartige «kinetische Lösungen» sind im zivilen Kontext problematisch. Vereinfacht gibt es drei Möglichkeiten, eine Drohne zu bekämpfen: kinetisch, elektronisch und durch Abfangen. Kinetische Optionen bedeuten das Abschiessen einer Drohne mit Kugeln, Raketen oder Ähnlichem. Störsender – derzeit eine der vielversprechendsten Lösungen – unterbrechen das Signal zwischen Drohne und Pilot. Eine fortgeschrittenere elektronische Methode ist, Drohnen zu «hacken» und so die Steuerung zu übernehmen. Des Weiteren wird versucht, Drohnen abzufangen, zum Beispiel mithilfe eigener Drohnen. Eine der kreativsten Lösungen haben die niederländische Polizei und das französische Militär im Einsatz: Greifvögel, die Drohnen im Flug abfangen. Auch Laser werden getestet.

Je mehr Drohnen, desto grösser das Problem

Bis jetzt ist keine dieser Lösungen perfekt. Drohnenbekämpfung ist schon im militärischen Kontext kompliziert. Aber während es in einem Kriegsgebiet eine Option sein mag, mit Raketen zu schiessen oder sämtliche Frequenzen zu stören, für Zentral-London oder die Zürcher Innenstadt ist dies keine Lösung.

Je mehr Drohnen in der Luft sind, desto grösser die Gefahr und umso höher die Nachfrage nach Abwehrmassnahmen. Weltweit forschen Firmen an Konter-Drohnensystemen, über 200 verschiedene Systeme sind bereits auf dem Markt. Derjenigen Firma, der es gelingt, ein preiswertes mobiles System zu entwickeln, das im zivilen Kontext einsetzbar ist, winken hohe Gewinne. Bis ein solches System entwickelt ist, bleibt jedoch die Gefahr. Vor diesem Hintergrund ist eine temporäre Flughafenschliessung das kleinere Übel.

Ulrike Franke ist Policy Fellow am European Council on Foreign Relations in London.