Akzentverschiebung in der deutschen Russlandpolitik

Der bisherige Russland-Koordinator der deutschen Regierung war ein harter Kremlkritiker. Sein Nachfolger, Gernot Erler, ein Sozialdemokrat, empfiehlt sanftere Töne im Umgang mit Moskau.

Ulrich Schmid, Berlin
Drucken
Der neue deutsche Aussenminister Steinmeier hat seinen Parteifreund Gernot Erler zum neuen Russland-Koordinator ernannt. (Bild: EPA/KAY NIETFELD)

Der neue deutsche Aussenminister Steinmeier hat seinen Parteifreund Gernot Erler zum neuen Russland-Koordinator ernannt. (Bild: EPA/KAY NIETFELD)

Die Berufung Frank-Walter Steinmeiers zum Nachfolger Guido Westerwelles als deutscher Aussenminister hat nicht nur bei den Sozialdemokraten Genugtuung ausgelöst. Im Gegensatz zum liberalen Westerwelle, dessen Passion und Stärke stets die Innen- und Sozialpolitik war und der im rhetorischen Disput zur Höchstform auflief, ist Steinmeier ein versierter Aussenpolitiker.

Eine Fülle Erfahrung

Schon im ersten Kabinett von Kanzlerin Merkel zwischen 2005 bis 2009 war Steinmeier Aussenminister und machte dabei eine leidlich gute Figur, auch wenn vielen seine hartnäckigen Versuche, den syrischen Diktator Asad in eine nahöstliche Friedenspolitik einzubinden, zu weit gegangen sein dürften. Steinmeier hat nun zusammen mit Merkel entschieden, den bisherigen Russland-Beauftragten der Regierung, Andreas Schockenhoff, durch den bald 70-jährigen Gernot Erler zu ersetzen. Erler bringt eine Menge Erfahrung mit. Er spricht Russisch und hatte den Posten des Russland-Koordinators bereits 2003 bis 2006 inne. Einzuarbeiten braucht er sich nicht, in der Partei hat er Reputation und Gewicht. In Steinmeiers erster Amtszeit amtierte er von 2005 bis 2009 als Staatsminister im Auswärtigen Amt, seit 2009 ist er Vizevorsitzender der SPD-Fraktion.

Dass die Ernennung Erlers nicht ohne Zwistigkeiten ablief, wie berichtet wird, ist leicht vorstellbar. Schockenhoff war ein unerschrockener Kritiker Putins und von dessen autoritärem Führungsstil. Unterstützung fand er damit in Teilen der CDU, bei der Kanzlerin und bei den Grünen, weniger gelitten war er bei Geschäftsleuten und der SPD, die im Umgang mit Russland traditionell die leisen Töne bevorzugen. Vor allem aber nahm Schockenhoff seine Aufgabe ernst. Offiziell lautet der Titel des Beauftragten «Koordinator für die deutsch-russische zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit». Schockenhoff forcierte die Kontakte zu just jenen Organisationen und Bürgerinitiativen, die wie viele Westler Mühe haben, im Putinschen Autoritarismus eine fortschrittliche, «moderne» und «für Russland eben nötige» Politik zu sehen.

Mann der alten Schule

Gernot Erler ist ein ganz anderer Typ. Aufsehen erregte er jüngst durch einen Medienbeitrag mit dem Titel «Schluss mit dem Russland-Bashing!», was keiner weiteren Erläuterung bedarf. Die bekannte Russland-Expertin Gemma Pörzgen weist darauf hin, dass Erler für überholte Konzepte stehe, für die «Modernisierungspartnerschaft» etwa, die bis heute eine Leerformel geblieben sei, dass er die Diplomatie in der Zeit des Abrüstungsdialogs erlernte und zu zivilgesellschaftlichen Gruppen keine gedeihlichen Kontakte habe. Eine neue Russlandpolitik sei mit Erler wohl nicht zu haben. Ähnlich sieht die Dinge Stefan Meister vom European Council on Foreign Relations. Erler werde mit seinem «Elitenansatz» und seiner «Russia-First-Politik» Mühe haben, zu den gesellschaftlichen Gruppen vorzustossen. Zu loben seien hingegen seine hervorragenden Kenntnisse, und im Team mit Steinmeier werde er selbstredend besser harmonieren als Schockenhoff.

Auch Erler ist natürlich die gängige Karenz einzuräumen, bevor man seine Russlandpolitik beurteilt. Es würde nicht überraschen, wenn diese kritischer ausfiele, als manche erwarten. Die SPD ist von der autoritären Erstarrung der russischen Politik genauso betroffen wie Bürgerliche, auch die Friedrich-Ebert-Stiftung geriet ins Visier der Schergen Putins. Auch Sozialdemokraten sind enttäuscht über die Entwicklung in Moskau, nur ventilieren sie ihren Frust zurückhaltender als die meisten Bürgerlichen und die Grünen. Der abtretende Russland-Koordinator Schockenhoff zeigte sich am Freitag souverän. In einem Statement heisst es, er habe sowohl aus der russischen als auch der deutschen Zivilgesellschaft ein positives Feedback erhalten und ziehe eine positive Bilanz. Schockenhoff will sich weiter für die zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit mit Russland engagieren.

Zum Thema