Extremisten als Spielverderber

Die Libyen-Gespräche, die letzte Woche in Genf hoffnungsvoll begannen, sind sistiert worden. Die Interessenpolitik von Regionalmächten erschwert die Aushandlung eines Abkommens.

Monika Bolliger, Kairo
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Eine zerstörte Wohngegend in Benghasi nach erneuten Kämpfen zwischen den Konfliktparteien. (Bild: ESAM OMRAN AL-FETORI / Reuters)

Eine zerstörte Wohngegend in Benghasi nach erneuten Kämpfen zwischen den Konfliktparteien. (Bild: ESAM OMRAN AL-FETORI / Reuters)

Nach einem positiven Start der Libyen-Gespräche in Genf hat eine der Konfliktparteien am Mittwoch die Verhandlungen auf unbestimmte Zeit suspendiert. Das Parlament von Tripolis, eine von zwei rivalisierenden Konfliktparteien, begründete dies mit einer Verletzung der Waffenruhe durch die Gegenregierung, die ihren Sitz in Tobruk hat. Das Parlament von Tobruk tat diesen Vorwurf als Propaganda ab. Letzte Woche hatte in Genf eine neue, von der Uno vermittelte Gesprächsrunde begonnen, auf welche die Ausrufung eines Waffenstillstandes folgte. Auch erklärte sich Tripolis plötzlich bereit, an den Verhandlungen teilzunehmen. Bis dahin hatten sich wichtige Parteien aus ihrem Lager Gesprächen verweigert.

Kampf um Ressourcen

Dass die Gespräche schliesslich doch scheiterten, liegt unter anderem an der fehlenden Geschlossenheit der Verhandlungsparteien. «Die Mehrheit auf beiden Seiten hofft auf ein Abkommen durch Dialog», sagt Mohammed al-Jarh, der in Tobruk lebt und für den Atlantic Council forscht. Extremisten auf beiden Seiten würden dies jedoch sabotierten. Die Uno steht bei der Vermittlung vor dem Dilemma, dass sie einerseits möglichst viele Akteure einbeziehen will. Andererseits kann damit eine kleine radikale Gruppe, die im Land nur dank Waffengewalt Gewicht hat, zur Spielverderberin werden.

Die Regierungen von Tobruk und Tripolis unterstützen jeweils unterschiedliche Parteien, welche sich das Machtvakuum im postrevolutionären Übergangsprozess zunutze machten. Dabei ist es kaum noch möglich, einen Überblick über die unzähligen bewaffneten Gruppen im Land zu behalten. So wird das Lager der international anerkannten Regierung in Tobruk zwar gemeinhin als säkularistisch eingestuft, während die Konkurrenz in Tripolis als islamistisch gilt.

Beobachter gehen allerdings davon aus, dass nur etwa 40 Prozent des Lagers von Tripolis Islamisten sind. Die «revolutionären Brigaden» aus Misrata, welche ein gewichtiger Partner von Tripolis sind, können beispielsweise nicht als Islamisten qualifiziert werden. Für den Libyen-Forscher vom European Council for Foreign Relations, Mattia Toaldo, geht es folglich mehr um Macht und Ressourcen als um Ideologie: «Das sieht man daran, dass die meisten Kampfhandlungen um Ölfelder stattfinden.»

Eine Schwierigkeit bei den Vermittlungen stellt die internationale Anerkennung für eine der beiden Seiten dar. Das Repräsentantenhaus, das sich in Tobruk befindet, steht zwar für die 2014 rechtmässig gewählte Landesführung, die von den Islamisten nach ihrer Wahlniederlage nicht anerkannt wurde. Diese hielten am alten Nationalkongress fest und vertrieben schliesslich das Repräsentantenhaus aus Tripolis. Inzwischen ist aber auch Tobruk keine integrative Regierung mehr.

Toaldo plädiert deshalb dafür, dass die Staatenwelt beiden Regierungen die Legitimität abspreche und signalisiere, dass sie nur eine Regierung der nationalen Einheit anerkenne. Hier gebe es divergierende Interessen zwischen arabischen Ländern und westlichen Akteuren. Für den Westen und die Uno habe die nationale Einheit Priorität, während für arabische Führungsmächte die Terrorbekämpfung im Vordergrund stehe. Terrorbekämpfung ist nach Auffassung der tonangebenden Regime der Arabischen Liga gleichzusetzen mit der Bekämpfung von Islamisten, ob es nun Muslimbrüder oder radikale Jihadisten sind. Damit sind die Araber keine neutralen Vermittler.

Einseitige Vermittler

Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate unterstützen den mit Tobruk verbündeten Warlord Khalifa Haftar angeblich auch durch Luftangriffe auf seine Gegner. Diesen wiederum wird nachgesagt, Hilfe von der Türkei und Katar zu erhalten. Haftar hatte schon vor der Wahlniederlage der Islamisten einen bewaffneten Aufstand gegen diese begonnen. Nun hat Tobruk erklärt, es habe seinen Verbündeten Haftar offiziell in den Dienst zurückbeordert. Während die Kämpfe andauern, verschlechtert sich die humanitäre Lage. Strom, Kochgas und Wasser sind knapp. Zehntausende sind intern vertrieben, und internationale Hilfswerke sind in Libyen nicht mehr tätig.

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