Islamforscher im Gespräch :
„Radikalisierung ist keine Folge gescheiterter Integration“

Von Michaela Wiegel, Paris
Lesezeit: 4 Min.
„Diese jungen Leute kommen nicht aus der muslimischen Gemeinschaft“: Ibrahim El Bakraoui, einer der Attentäter von Brüssel, auf einem Foto der türkischen Polizei
Nach den Anschlägen von Brüssel warnt Olivier Roy vor einer vorschnellen Verknüpfung von Islam und Terror. Im Interview erklärt der Islamforscher, was das eigentliche Problem des Dschihadismus ist.
Herr Roy, sehen Sie einen Zusammenhang zwischen dem Terrorismus und gescheiterter Integration in europäischen Einwanderungsgesellschaften?

Ich glaube nicht, dass die islamische Radikalisierung die Folge einer gescheiterten Integration ist. Das ist ein Scheinproblem. Viele der jungen Leute, die in den Dschihad ziehen, sind integriert. Sie sprechen Französisch, Englisch oder Deutsch. Der „Islamische Staat“ (IS) hat ein frankophones Bataillon gegründet, weil die jungen Franzosen oder Belgier kaum Arabisch können. Nicht die mangelnde kulturelle Integration ist das Problem. Selbst in ihrem Bruch mit der Gesellschaft bleiben die europäischen Dschihadisten einem sehr westlichen Modell verbunden. Es ist nihilistisch, was überhaupt nicht der islamischen Tradition entspricht. Sie entwickeln eine Faszination für die Ästhetik der Gewalt, die sie aus Filmen und Videos kennen. Darin ähneln sie mehr den Amokläufern an der Columbine Highschool oder dem Massenmörder Anders Behring Breivik.

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