Frankreichs Sorge vor deutscher Dominanz

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident François Hollande verkörpern die deutsch-französischen Differenzen in der Europapolitik. Foto: dpa

50 Jahre nach Unterzeichnung des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages verunsichert Deutschlands wirtschaftliche Stärke zunehmend die Franzosen. Sie fürchten eine deutsche Dominanz und Arroganz in der Eurozone und suchen ein französisches Gegengewicht zum neuen „deutschen Problem“.

Die europäische Perspektive ist durch die deutsch-französische Annäherung überhaupt erst möglich geworden, meint der Grünen-Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit. Er ist einer der wenigen Politiker, der sich in Deutschland, Frankreich und auf der EU-Ebene politisch engagiert hat. Bei der Podiumsdiskussion "50 Jahre Élysée-Vertrag" der Grünen-Bundestagsfraktion warnte der Ko-Vorsitzende der Grünen/EFA im Europäischen Parlament allerdings vor einem Alleingang der Deutschen und Franzosen in der EU. "Eine Verständigung zwischen Deutschland und Frankreich ist absolut notwendig, reicht jedoch nicht aus", so Cohn-Bendit am 14. Januar in Berlin. Schließlich gebe es in der EU noch 25 andere Staaten, die auch ein Mitspracherecht hätten.

Cohn-Bendit, der mit dem Soziologen Ulrich Beck ein Manifest zur Neugründung Europas von unten ("Wir sind Europa!") veröffentlicht hat, bekräftigte sein Plädoyer für ein Vereinigtes Europa. "In einer globalisierten Welt spielt die Souveränität der einzelnen Staaten keine Rolle mehr", sagte Cohn-Bendit. Die Finanzkrise oder der Klimawandel ließen sich nicht auf nationaler Ebene lösen.

Auch Ulrike Guérot vom "European Council on Foreign Relations" (ECFR) sprach sich bei der Podiumsveranstaltung für eine Aufweichung der nationalen Grenzen aus. Zusammen mit Pascal Canfin, dem französischen Entwicklungsminister, plädierte sie für die Einführung eines "Eurozonen-Parlaments" als eine Untereinheit des Europäischen Parlaments (EURACTIV.de vom 6. September 2011). Canfin forderte zudem, die Demokratie in der EU zu stärken, zum Beispiel durch die Direktwahl des Kommissionspräsidenten.

Dominique Voynet, Bürgermeisterin der französischen Stadt Montreuil, bedauerte, dass in Deutschland die politische Leidenschaft für Europa verschwunden sei. Auf deutscher Seite mangele es mittlerweile am Interesse für Frankreich, so Voynet. Sie befürchtet den Verlust der gegenseitigen Wertschätzung für Kultur und Ideen des jeweiligen Nachbarns.

Thomas Hanke, Paris-Korrespondent vom Handelsblatt, bestätigte die Einschätzung von Voynet. Frankreich beobachte Deutschland deutlich intensiver als andersherum. Deutschland habe inzwischen kaum noch Interesse am Hexagon. Außerdem dominiere Deutschland die deutsch-französische Partnerschaft. Die französischen Eliten sprächen bereits davon, dass das "deutsche Problem" wieder da sei: Deutschland wolle der Eurozone seine Gesetze aufdrängen und sei zu stark. Die Franzosen hätten das Gefühl ein Gegengewicht schaffen zu müssen, so Hanke.

Othmara Glas

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