US-Wahlen: Ist Europa bereit für Clinton oder Trump?

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Die US-Wahl hat begonnen: Heute wird der 45. Präsident der Vereinigten Staaten gewählt. [Foto: Wikimedia]

Viele europäische Entscheidungsträger unterschätzen die Gefahren einer US-Präsidentschaft unter Donald Trump – oder überschätzen die Kontinuität durch Hillary Clinton, zeigt die Studie eines Think-Tanks. EURACTIV Brüssel berichtet.

Europas führende Politiker seien nicht bereit für die Veränderungen, die mit US-Präsident Barack Obamas Nachfolge als Oberbefehlshaber einher gehen werden, so lautet das Ergebnis einer Studie des Think-Tanks European Council on Foreign Relations (ECFR). Viele seien sich der möglichen Folgen gar nicht bewusst. Im Rahmen seiner Untersuchungen befragte der ECFR Regierungsvertreter der 28 EU-Mitgliedsstaaten, wie gut vorbereitet sie auf die neue US-Regierung seien – nach acht Jahren Obama.

Viele halten Trump für eine womöglich existenzielle Bedrohung für die transatlantischen Beziehungen der EU. Seine Haltung zur NATO und Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) gilt weitgehend jedoch als reine Rhetorik. Die meisten gehen davon aus, dass er seine diesbezüglichen Wahlversprechen, sollte er nächsten Monat gewählt werden, ohnehin nicht durchbringen könne oder wolle. Der ECFR warnt jedoch, Trumps außenpolitische Ansichten seien nicht nur im Eifer des langen und hässlichen Wahlkampfes entstanden, sondern in der Tat feste Überzeugungen. Der Einfluss der US-Präsidentschaft und die Struktur des dortigen politischen Systems sorgen laut ECFR dafür, das der aktuelle Präsident „nie weit von der Politik entfernt“ ist.

Den Studienergebnissen zufolge glauben europäische Regierungen, dass das amerikanische System Trump letzten Endes davon abhalten würde, all das umzusetzen, was er in den vergangenen zwölf Monaten versprochen hat. Diese Ansichten stehen in starkem Gegensatz zu den Befürchtungen seiner Kritiker und Gegner in den USA selbst. Sie warnen vor Folgen „apokalyptischen“ Ausmaßes.

Hauptsache Trump?

Die Vorwahlen um die Präsidentschaft in den USA sind mehr als nur ein mediales Spektakel. Sie offenbaren eine Seite der amerikanischen Wirklichkeit, die wir in der Vergangenheit so nicht wahrgenommen haben – ein Land, das tief zerrissen ist und unsicher, was seine Zukunft und seinen Platz in der Welt angeht.

Andererseits davon auszugehen, Clinton werde Kontinuität bringen, sei ein ebenso riskantes Spiel, meint die Studie. Auf die ehemalige Außenministerin würden dieselben politischen Kräften wirken wie auf Trump. Die militärische Unterstützung für Europa werde voraussichtlich zurückgeschraubt.

Dass Clinton Obamas Nachfolge Antritt, wird immer wahrscheinlicher, nun da Trumps sexistische Bemerkungen von 2005 ans Licht kamen und seinen Wahlkampf torpedierten. Aktuellen Umfragen zufolge konnte sich Clinton inzwischen einen beträchtlichen Vorsprung vor ihrem Konkurrenten sichern.

Europas Irrglaube

„Manche europäischen Regierungen überschätzen ihre eigene Verhandlungsposition gegenüber den Vereinigten Staaten. Einfluss haben sie jedoch immer nur dann nehmen können, wenn sie zusammengearbeitet haben“, betont der Autor der Studie, Jeremy Shapiro. 15 Mitgliedsstaaten seien dennoch der Meinung, es wäre besser, bilateral mit den USA zu arbeiten. Nur vier bevorzugen den Rahmen der NATO.

In Sachen Handel spricht die ECFR-Studie eine deutliche Warnung aus: So glauben viele europäische Entscheidungsträger, sie täten den USA mit den Verhandlungen über TTIP einen Gefallen. Der Deal ist jedoch äußerst unbeliebt in der amerikanischen Wahlbevölkerung. Egal welcher Kandidat das also Rennen machen wird, keiner von beiden wird in absehbarer Zeit größere Zugeständnisse in den Gesprächen machen. Lange Zeit war die EU bestrebt, das Abkommen abzuschließen, bevor Obama das Weiße Haus verlässt. Diese Zielsetzung verwarf man jedoch inzwischen als unrealistisch. EU-Landwirtschaftskommissar Phil Hogan verkündete letzte Woche, dass er vor 2018 nicht mit einem Deal rechne.

Während sich Großbritannien auf den EU-Austritt vorbereitet, scheint der Job des amerikanischen „trojanischen Pferds“, wie Charles de Gaulle es einst ausdrückte, frei zu werden. Sowohl Frankreich, Deutschland, Spanien als auch Portugal sehen Brexit als eine einmalige Chance, sich selbst als Mittelsmann zwischen den Vereinigten Staaten und der EU zu etablieren.

Aus den Ergebnissen der Studie geht eindeutig hervor, dass die EU Clintons Kandidatur unterstützt, als erste Frau das Oval Office zu beziehen. Einzig und allein Ungarn spricht sich für ihren umstrittenen Gegner aus. Grund hierfür sei laut ECFR die Flüchtlingskrise, die schon länger die politische Landschaft in Ungarn dominiert. Trumps kontroverse Ideen, eine Mauer zu bauen und alle Muslime am Einreisen zu hindern, findet in Viktor Orbáns Regierung großen Anklang.

Destabilisierung

Die Studienteilnehmer wurden gebeten, globale Themen nach ihren Destabilisierungspotenzial zu sortieren. Nur ein Mitgliedsstaat war der Meinung, eine US-Regierung unter Clinton wäre ein solcher Faktor. Unter Trump hingegen sehen neun Mitgliedsstaaten die USA als eine Bedrohung. Somit wären die USA ein größerer Destabilisierungsfaktor als Russland oder Syrien.

trump

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