Um den Euro zu stabilisieren, schlägt Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) eine Europäische Arbeitslosenrückversicherung vor – nicht eine reine Arbeitslosenversicherung auf EU-Ebene. Warum die Unterscheidung wichtig und die Idee richtig ist, erklären die Ökonomen Sebastian Dullien und Jakob von Weizsäcker. 

Selten hat eine Idee eines amtierenden deutschen Finanzministers so viel mediale Empörung ausgelöst wie der in der vergangenen Woche bekannt gewordene Vorschlag von Olaf Scholz zu einer "Europäischen Arbeitslosenrückversicherung". Es bringe nichts, "Europas Probleme mit Deutschlands Geld lösen zu wollen", tönte es sofort aus der FDP. Die Spitze der Unionsfraktion polterte, man dürfe nicht "weitere Risiken vergemeinschaften". Am Freitag stellte Kanzlerin Angela Merkel klar, dass auf dem geplanten Eurozonengipfel im Dezember der Vorschlag "kein Thema" sein werde, weil die Bundesregierung keine einheitliche Position zu dem Thema habe.

Diese reflexhafte Abwehr ist bedauerlich. Denn tatsächlich ist die Grundidee einer Art Rückversicherung für nationale Arbeitslosenversicherungen ökonomisch schlicht sinnvoll. Die Ängste, dass die Deutschen über ein solches System am Ende für die Fehler anderer zahlen müssten, sind dagegen weit übertrieben.

Fangen wir einmal bei der ökonomischen Logik des Vorschlags an: Länder zahlen in guten Zeiten jedes Jahr aus ihrem Haushalt einen kleinen Beitrag auf ein Konto in einem gemeinsamen Fonds ein. Wenn ein Land in eine tiefe Krise rutscht, in der die Arbeitslosigkeit rapide und plötzlich steigt, bekommt es das von ihm selbst angesparte Geld zurück. Wenn die eigens angesparten Rücklagen nicht reichen, weil die Krise besonders tief ist, kann sich das Land außerdem Mittel aus den Rücklagen der Partner leihen. Diese Mittel müssten zurückgezahlt werden, sobald die Krise abebbt.

Die Krise nicht verstärken

Allein dieser einfache Mechanismus könnte schon dazu beitragen, dass die Konjunkturzyklen in der Eurozone weniger heftig ausfallen. Da die Länder gezwungen würden, in guten Zeiten in den Fonds einzuzahlen, würden sie im Effekt gezwungen, eine Reserve für schlechte Zeiten zu bilden.

Und umgekehrt könnten sie dann in schlechten Zeiten auf diese Reserven zurückgreifen, sodass sie in der Krise nicht so stark Ausgaben kürzen oder Sozialabgaben und Steuern erhöhen müssten, wie das in der Vergangenheit oft der Fall war. Diese Form der Krisenvorsorge verhindert, dass Regierungen in guten Zeiten zu verschwenderisch agieren und dann in einer Rezession die Krise verschlimmern, weil sie hektisch hinterhersparen müssen.

Der Mechanismus würde übrigens auch Deutschland helfen: Auch bei uns gibt es die ungute Tendenz, Beiträge für die Sozialversicherungen in guten Zeiten zu senken – wie jüngst passiert bei der Arbeitslosenversicherung –, um sie dann in schlechten Zeiten zu erhöhen oder Leistungen zu kürzen.

Begrenzter Zeitraum

Nach den Vorschlägen des Finanzministeriums wäre die Auszahlung aus der Europäischen Arbeitslosenrückversicherung auf die kurze Phase rapide steigender Arbeitslosigkeit begrenzt. Einer Dauersubventionierung von Problemstaaten mit anhaltend hoher Arbeitslosigkeit wird damit wirkungsvoll ein Riegel vorgeschoben. Simulationen eines solchen Systems zeigen, dass es die Krisenfestigkeit des Euro deutlich erhöht, ohne zu einer Transferunion zu führen. Diese Rückversicherung ist eher vergleichbar mit der in Deutschland gesetzlich verankerten Pflicht, dass jeder Bürger und jede Bürgerin eine Krankenversicherung haben muss: Der Vorschlag von Scholz würde einfach alle Staaten verpflichten, Eigenvorsorge zu schaffen, und erlaubt Hilfskredite, wenn die Eigenvorsorge einmal nicht ausreicht.