Immer wieder ist in den vergangenen Monaten ein baldiges Ende der Griechenland-Tragödie angekündigt worden. Immer wieder hieß es, wenn bis zu diesem oder jenem Datum keine Einigung erzielt sei, ist Griechenland bankrott und müsse den Euro verlassen. Und immer wieder gab es dann doch noch eine neue Wendung und die Verhandlungen schleppten sich weiter.

Nun fiebert Europa dem nächsten "endgültigen" Entscheidungstermin entgegen: dem Referendum am kommenden Sonntag. Lehnen die Griechen die aktuellen Spar- und Reformvorschläge der Institutionen ab, sei dies unweigerlich das Ende Griechenlands als Euro-Mitglied, so der Tenor der maßgeblichen Äußerungen aus den europäischen Hauptstädten.

Doch wieder einmal dürfte die Erwartung enttäuscht werden: Egal wie das Referendum ausgeht, rasche Klarheit für Griechenland und die Eurozone wird es nicht bringen, zumindest ökonomisch nicht.

Betrachten wir zunächst einmal das Ergebnis, das derzeit als klares Ausstiegssignal aus dem Euro gewertet würde: ein Nein der Griechen zu den Bedingungen der Gläubiger. Für weitere Gespräche gäbe dann keine Basis mehr. Als unmittelbare Folge wird der Grexit erwartet. Ohne neue Kredithilfen kann die griechische Regierung ihre Schulden bei der Europäischen Zentralbank nicht mehr bedienen. Damit wäre Athen technisch im Zahlungsverzug. Die EZB würde als Konsequenz griechische Staatsanleihen nicht mehr als Sicherheiten akzeptieren – weder für ihre regulären Finanzierungsgeschäfte mit den Banken noch als Sicherheit für die unter dem Begriff "Emergency Liquidity Assistance" (ELA) gehandelten Notkredite, die die griechische Zentralbank derzeit (noch) mit Billigung der EZB den Banken des Landes gewährt.

Zudem müssten die Banken die griechischen Staatsanleihen in ihrem Besitz abschreiben. Dies würde das Eigenkapital aufzehren, heißt es, und die Banken ebenfalls in die Insolvenz schicken. Das griechische Bankensystem würde zusammenbrechen.

Bislang gehen die meisten Ökonomen davon aus, dass in einer solchen Situation die griechische Regierung einseitig eine eigene Währung einführen würde. Frisch gedruckte Drachmen könnten zum einen benutzt werden, um nicht nur Beamtengehälter und Renten auszahlen zu können, sondern auch um die Banken zu rekapitalisieren und ihnen zum anderen jene Liquidität zur Verfügung stellen, die sie brauchen, um den Kunden Einlagen auszuzahlen. Das Kalkül: Ohne Banken kann eine moderne Volkswirtschaft nicht funktionieren und die Regierung in Athen würde im Zweifel einen Grexit dem Zusammenbruch des Bankensystems vorziehen.

Die Banken wären nicht sofort pleite

Doch diese Kausalkette ist alles andere als zwingend: Die griechischen Staatsanleihen und andere Forderungen der Banken gegenüber dem Staat machen derzeit nur etwa 22 Milliarden Euro aus – bei einer Bilanzsumme von fast 400 Milliarden Euro. Das Eigenkapital der griechischen Banken beträgt derzeit noch etwas mehr als 50 Milliarden Euro. Selbst wenn die Banken alle ihre Forderungen gegen den griechischen Staat ganz abschreiben müssten, wären sie zwar unterkapitalisiert, nicht aber unbedingt sofort pleite.

Eine Option wäre, nach einem Zahlungsausfall des griechischen Staates die Banken aus anderer Quelle zu rekapitalisieren. Denkbar wäre zum Beispiel, dass die EU-Partner Mittel etwa aus dem ESM dafür bereitstellen. Stemmen sich einzelne Eurostaaten wie Deutschland oder Finnland gegen einen solchen Schritt, könnten immer noch einzelne andere Eurostaaten wie Frankreich oder Italien bilateral Geld in die griechischen Banken einschießen – oder aber auch Russland oder China. Wahlweise könnten die Mittel direkt von den Regierungen, von staatlichen Fonds oder von Staatsbanken kommen. In jeder dieser Optionen wäre wahrscheinlich, dass dafür die Ausländer Eigentümer der griechischen Banken würden. Zumindest theoretisch denkbar wäre auch, dass ausländische Privatbanken wie die Deutsche Bank griechische Banken übernehmen – auch wenn wahrscheinlich keines der renommierten Geldhäuser derzeit das Risiko eines solchen Engagements auf sich nehmen will.