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In einem Punkt sind sich May und Trump doch sehr ähnlich

"Der Brexit wird eine wunderbare Sache"

US-Präsident Donald Trump denkt, dass Großbritannien vom Brexit profitieren wird. Das hat er bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der britischen Premierministerin Theresa May im Weißen Haus gesagt.

Quelle: N24

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Die Bürger in Großbritannien und den USA haben das bestehende Machtgefüge abgewählt. May und Trump wirken obendrein wie enge Partner. Das täuscht. Nur in einem Punkt stehen sich sich ziemlich nah.

Ein geflügeltes englisches Sprichwort lautet: „History makes strange bedfellows“ – die Geschichte bringt die seltsamsten Bettgenossen zusammen. In der Tat. Zum Beispiel Theresa May und Donald Trump. Exit Amerika, Exit Großbritannien. Das Traumpaar der Gegenwart? Am 27. Januar fand ihr erster Pflichtlauf statt, das erste Treffen, das Donald Trump einem ausländischen Regierungschef in Washington D.C. einräumte – Theresa May war es, nicht Angela Merkel.

Nun, warten wir einfach ab, wie später die Kür ausfällt. Zweifel sind angebracht bei einem Mann wie Donald Trump, der dermaßen unsicher und unerfahren ist im diplomatischen Eiskunstlauf, ein sicherer Kandidat für häufige Stürze. Die beiden möchten der „special relationship“, der engen Beziehung zwischen ihren Ländern, neues Leben einhauchen. Der Amerikaner mag keine supranationalen Zusammenschlüsse. Er setzt auf die Bilateralität mit souveränen Staaten. Großbritannien will wieder ein solcher werden, zu welchem Preis auch immer.

Trump und Merkel wollen am Samstag telefonieren

Der neue US-Präsident Donald Trump und Kanzlerin Angela Merkel wollen am Samstag erstmals nach Trumps Amtsübernahme miteinander in direkten Kontakt treten. Das teilte der Sprecher des Weißen Hauses mit.

Quelle: N24

Zum Auftakt des Jahres 2017 erleben wir mithin sehr früh eine der strategischen Begleiterscheinungen der neuen Weltunordnung, die mit Donald Trumps Bühnenauftritt beginnt. Die beiden angelsächsischen Partner gehen ohne zu zögern aufeinander zu, wie in einem Pas de deux. Verwundern kann das nicht.

Seit Langem schon hat der Amerikaner der Brexit-Entscheidung der Briten Beifall gespendet, ja, er glaubt sogar, der Ausgang des britischen Referendums habe eine Rolle gespielt bei seinem Wahlsieg im November danach. Der Aufstand des kleinen Mannes, der vernachlässigten Millionen gegen „die Elite“ – war das nicht auch Donald Trumps Kammerton? A wie „America First“, sprich: „Make America great again“.

Die Jeanne d’Arc des Brexit

Spiegelbildlich Theresa May. Zwar hatte die Britin sich in der Referendumsschlacht weitgehend bedeckt gehalten, keine dezidiert EU-kritische Rede gehalten außer ihrer oft vorgetragenen Meinung, man müsse endlich eine Antwort auf den unbegrenzten Zuzug von Immigranten finden. Doch das ist jetzt Geschichte.

Heute spielt Frau May die Jeanne d’Arc des Brexit, ficht für ihn mit fliegenden Fahnen. Das Votum der Wähler lässt ihr auch keine andere Wahl. Hic Brexit, hic salta. „Britain First“, steht auf ihren Fahnen – oder in Abwandlung des trumpschen Mantras: „Make Britain great again.“ In dieser Priorität, dem unbedingten Nationalinteresse, trifft sie sich mit ihrem atlantischen Gegenüber.

Dieser EU-Austritt kann länger dauern

Das höchste britische Gericht hat entschieden, dass das Parlament über die EU-Austrittserklärung abstimmen muss. Die britische Regierung befürchtet, dass die Abgeordneten nun den geplanten Brexit verwässern.

Quelle: N24/ Larissa Herber

Aber die Unterschiede sind unübersehbar. Trump benutzt „global“ wie ein Schimpfwort, im Kern seiner Anklage stehen die „Globalisierungsgewinner“, er möchte sein Land hinter einer merkantilistischen Mauer neu verankern. An deren Eingangspforte steht in großen Lettern: Protektionismus. Das ist sein Verständnis von „America First“. Theresa May dagegen kommt vom anderen Ende des Spektrums: „Global Britain“ war das Thema ihrer Rede vom 17. Januar, es stand als Slogan an der Stirnseite des Rednerpults, von dem aus sie sprach. Statt Mauer heißt ihr Stichwort „free trade“, Freihandel. Das ist ihr Verständnis von „Britain First“.

Freier Handel auf der einen Seite, Protektionismus auf der anderen: Wie geht das zusammen? Wie kann diese „special relationship“ neu aufblühen, wenn zwei so dermaßen unterschiedliche Nationalinteressen aufeinanderprallen? Das klingt wie die Quadratur des Kreises. Ganz abgesehen davon, dass noch gar nicht sicher ist, ob der neue amerikanische Präsident überhaupt in der Lage ist, Verträge „in gegenseitigem Interesse“, wie es jede Bilateralität impliziert, abzuschließen.

Brexit-Befürworter sprechen von Einpferchung

Trump und der Kompromiss – eine noch gänzlich unbekannte Paarung. Fürs Erste gilt ganz allgemein, dass Washington und London sich darauf geeinigt haben, neue bilaterale Handelsbeziehungen aufzubauen. Mehr kann es im Moment auch nicht sein, denn noch gehört Großbritannien zur EU, und London kann dementsprechend gar keine Handelsverträge aushandeln, die nicht durch das Nadelöhr Brüssel gehen.

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Da ist der wunde Punkt bereits deutlich sichtbar: Diese Preisgabe der eigenen Souveränität nicht mehr zu dulden, ist die Speerspitze der Brexit-Bewegung. Man kann sich nur wundern, wie verwundert die Europäer auf die Ankündigung reagierten, die Insel wolle ihre kontinentale Einbettung – die Brexit-Befürworter sprechen von Einpferchung – verlassen und stattdessen buchstäblich das Weite suchen: die Globalität. Im Grunde kehrt man nur zu seinen Anfängen als maritimer Nationalstaat zurück.

Quelle: Infografik Die Welt

In keinem anderen Land Europas spielt Geschichte dermaßen direkt in die Gegenwart hinein. Ein Jahr nach seiner Thronbesteigung 1509 wurde der jugendliche Heinrich VIII. von einem seiner Ratgeber folgendermaßen instruiert, man würde heute sagen, gebrieft: „Sire, lassen wir in Gottes Namen von unseren Versuchen ab, uns auf der terra firma festzusetzen. Die natürliche Lage von Inseln verträgt sich mit Unternehmen solcher Art nicht.

England allein und für sich ist ein gehöriges und wohl begründetes Reich. Wenn wir uns aber ausdehnen wollen, dann möge es in der Richtung geschehen, in der wir dazu imstande sind und zu welcher die ewige Vorsehung uns bestimmt hat – nämlich über das Meer.“ Nicht lange danach hören wir von einem gewissen William Shakespeare, der in einen Theater spielt, und dessen Stücke darin aufgeführt werden, das sich „The Globe“ nennt. Nomen est omen.

Methode aus Versuch und Irrtum ohne viel Systematik

Haben aber die Briten die tiefe Kluft, die sich in der Gesellschaft nach dem Referendum-Resultat auftat, überwunden? Die Spaltung in zwei Lager auf der Basis eines Entscheids, der lediglich von 37 Prozent der Wahlberechtigten getroffen wurde? Noch lange nicht, ist die kurze Antwort. Wie könnte es auch anders sein angesichts der zahlreichen Fragezeichen, die diesen Brexit nach wie vor umnebeln. Aber das Land ist hart im Nehmen und dabei pragmatisch. In einem Pokalfinale kann es auch nur einen Gewinner geben. „Get on with the job“, lautet die Devise – weitermachen. Die Briten jammern eben nicht gern, und wenn, dann nie lange.

LONDON, ENGLAND - JANUARY 17: Artist Kaya Mar holds his latest painting of Theresa May dressed as a police officer holding a truncheon with 'Hard Brexit' written on it in front of the Houses of Parliament on January 17, 2017 in London, England. Today in a long awaited speech, British Prime Minister Theresa May outlined the prioirites for the United Kingdom in Brexit negotiations. (Photo by Chris J Ratcliffe/Getty Images)
Kommt der harte Brexit? Künstlerin Kaya Mar portraitiert Regierungschefin Theresa May als knallharte Polizistin
Quelle: Getty Images

Ungewissheiten wie die über die Brexit-Zukunft heute ziehen sich wie eine Spur durch ihre Geschichte. Man könnte sogar sagen, dass die britische Geschichte geradezu den Beleg liefert für eine Methode aus Versuch und Irrtum, die mit nur wenig Systematik voranschreitet, die Risiken des Unbekannten in Kauf nimmt in der Gewissheit, das Ende werde gut ausgehen. Zu solcher Selbstsicherheit gehört offenbar die Erfahrung, auf einer Insel zu leben, und so hat man sich in Großbritannien früh auf die Schwankungen der ewig unruhigen See eingestellt.

Ein Historiker des 19. Jahrhunderts, John Seeley, beklagte in seiner berühmt gewordenen Schrift „The Expansion of England“ im Jahr 1883: „Wir scheinen gewissermaßen eine halbe Welt erobert und bevölkert zu haben in einem Anfall von Geistesabwesenheit.“ Immer wieder ist diese These zur Beschreibung der Unsystematik herangezogen worden, mit der England sich über die Erde auszubreiten verstand – und zwar nach Maßgabe sich bietender Möglichkeiten, nicht nach irgendeiner theoretisch-abstrakten Vorgabe.

Den Briten hat man nicht umsonst das „muddle through“ nachgesagt

Ähnliches gilt für die Einwanderung, die aus Großbritannien heute das europäische Zentrum der Multikulturalität gemacht hat. Auch sie verlief nach keinem langfristigen Plan, keinem „Gesamtkonzept“, sondern „passierte“ wie nach einem unausgesprochenen Laisser-faire. Ein Zeitgenosse Seeleys, der große Rechtshistoriker Frederic William Maitland, sprach einmal vom „Vorwärtsstolpern nach unserer empirischen Art und schließlich Hineintappen in die Weisheit“. Ob der Brexit eine solche Weisheit darstellt, wird sich zeigen müssen.

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Den Briten hat man nicht umsonst oft dieses „muddle through“ nachgesagt, dieses „irgendwie Durchkommen“, dessen Ende nicht selten so offen wie undurchdacht ist. Wie oft wurde der Downing Street nach dem 23. Juni 2016 vorgehalten, dass sie auf den Ausgang, den Brexit, nicht vorbereit gewesen sei, dafür keinen Plan in der Schublade gehabt habe. Almut Möller, die als Senior Fellow das Berliner Büro des European Council on Foreign Relations leitet, berichtete unlängst im „Guardian“, etliche Minister der Merkel-Regierung hätten nach dem 23. Juni 2016 ihr „Entsetzen“ zum Ausdruck gebracht über „das unbesorgte Verhalten britischer Politiker“.

Man sollte meinen, wir müssten unsere britischen Pappenheimer, ihre Sorglosigkeit (oft übrigens auch nur gespielt) selbst in Zeiten der Gefahr nach so vielen Jahren verbündeter Zusammenarbeit etwas besser kennen. Aber nein, wir sind anders gepolt in unserer politischen Philosophie. Wir lieben den Plan, das Konzept, die „Papierwüste aus institutionellen Projekten“ (Außenminister Geoffrey Howe; 1984), die Theologie der Voraussicht, „Rahmenstrukturen und Organisationen“ (Christopher Mallaby, Botschafter in Bonn; 1991). Dagegen George Orwell in „England Your England“ (1941): „Die Engländer sind nicht intellektuell, sie haben einen Horror vor abstrakten Gedanken, sie empfinden keine Notwendigkeit für irgendwelche philosophische oder systematische Welt-Sicht.“

Es wäre der Anfang vom Ende der EU

Zurück zur Gegenwart. Was Theresa May in ihrer Rede am 17. Januar vortrug, diese Hoffnung in der Nach-Brexit-Zeit auf einen „tariffreien Handel mit der Europäischen Union“, ist erneut eine fröhliche britische Investition ins Unbekannte. Es ist ein Spiel mit Versuch und Irrtum und durch nichts in der real existierenden Welt gedeckt. Das sehen auch einsichtige Kommentatoren auf der Insel so. Die Positionen der beiden künftigen Verhandlungspartner schließen sich gegenwärtig noch vollkommen aus.

Dass Großbritannien ohne Mitgliedschaft in der Zollunion und Teilhabe am Binnenmarkt einen Deal aushandeln könnte, der ebenso vorteilhaft ist wie seine gegenwärtigen Arrangements als Mitglied der EU ist schlechterdings unvorstellbar. Wie auch nicht. Die EU würde dann einen Austritt mit einem gleichsam schmerzfreien Verhandlungsresultat belohnen. Wird die Beibehaltung der Vorteile des Zugangs zum Binnenmarkt gewährt, könnte der Brexit-Weg auch andernorts Begehrlichkeiten wecken und als nachahmenswerte Blaupause benutzt werden. Es wäre der Anfang vom Ende der EU.

Andererseits, so kalkuliert die May-Regierung, hat die EU kein Interesse daran, London „zu bestrafen“ und einen binneneuropäischen Handelskrieg zu riskieren. In Zeiten eines Donald Trump ohnehin nicht, denn die zukünftige US-Politik erfordert eher größeres Zusammenrücken der Europäer angesichts einer drohenden Einengung des globalen freien Handels. Auch möchte man den Briten keinen Vorwand liefern, bei Totalverweigerung ihrer Wünsche „die Basis des britischen Wirtschaftsmodells zu ändern“, wie May in ihrer Rede fast drohend andeutete, wie zuvor schon Schatzkanzler Hammond in einem Interview mit der „Welt am Sonntag“. Auch hier, wie im Falle der Unvereinbarkeiten zwischen Donald Trump und Theresa May, haben wir vorerst die Quadratur des Kreises vor uns.

Was Dean Acheson, US-Außenminister der Nachkriegszeit, im Dezember 1962 in dem Satz ausdrückte, England habe „ein Empire verloren, aber noch keine neue Rolle gefunden“, lässt sich auch auf das Großbritannien im Zustand nach dem Brexit-Referendum münzen: Es wird die EU verlieren, ohne eine neue Rolle gefunden zu haben. Aber wer oder was ist heute noch die EU, fragt man von jenseits des Kanals zurück? Welche Verhandlungspartner werden uns gegenübersitzen nach den Wahlen in Holland, Frankreich und Deutschland? Trump hält die EU für einsturzgefährdet, ein Spekulant wie George Soros ebenso. Viele „Brexiteers“ sind der Meinung, ihr Schiff verlasse den sinkenden Kontinent. Willkommen im Nebel der Gegenwart.

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