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Parlamentswahl in Polen
Die Opposition formiert sich

Die polnische Opposition rüstet sich für die Parlamentswahl im kommenden Herbst. Denn sie will der nationalkonservativen PiS die absolute Mehrheit abnehmen. Die Empörung über den Regierungsstil der PiS hatte die Oppositionsparteien zusammengeschweißt. Aber sie treten nun doch nicht als großes Bündnis an.

Von Florian Kellermann | 05.08.2019
Polen: Sejmgebäude in Warschau, Tagungsort der Nationalversammlung. Foto vom 27. Februar 2017. | Verwendung weltweit
Die polnische Nationalversammlung in Warschau ist in zwei Kammern eingeteilt. Eine davon ist der Sejm: die Abgeordnetenkammer. Ihr gehören 460 Abgeordnete an. (dpa / Daniel Kalker)
Die Entscheidung ist gefallen: Die polnische Opposition wird in drei Blöcken zur Parlamentswahl im Herbst antreten. Am meisten Stimmen dürfte der Block der Mitte bekommen - mit dem Namen "Bürgerkoalition". Ihm gehört die "Bürgerplattform" des ehemaligen Ministerpräsidenten Donald Tusk an. Sie gibt sich gemäßigt konservativ und klar proeuropäisch. Außerdem zählt die wirtschaftsliberale Partei "Die Moderne" zum Mitte-Block. Lange dauerten die Verhandlungen mit zwei weiteren Parteien, der konservativen Bauernpartei PSL und dem "Bündnis der demokratischen Linken" SLD. Letztere ist die Nachfolgepartei der früheren kommunistischen Staatspartei. Doch dann erklärte der Vorsitzende der Bauernpartei Władysław Kosiniak-Kamysz:
"Die Listenplätze, die unser langjähriger Koalitionspartner, die Bürgerplattform, uns angeboten hat, waren sehr attraktiv. Wenn es uns nur darum ginge, in den Sejm zu kommen, hätten wir das Angebot angenommen. Doch nur mindestens zwei Blöcke haben die Chance, die PiS zu besiegen, ein Mitte-Block und ein linker Block."
Denn die PSL fürchtet das Bündnis mit den Linken. Sie vertritt die Interessen der konservativen Landbevölkerung. Wie die Regierungspartei PiS sucht sie die Nähe zur katholischen Kirche.
Bei der Europawahl holte die PiS 45 Prozent der Stimmen
Bei der Europawahl im Mai gab es ein breites Oppositions-Bündnis von Links bis Konservativ. Und doch gewann die PiS eindrucksvoll mit 45 Prozent der Stimmen. Piotr Buras von der Denkfabrik "Europäischer Rat für Internationale Beziehungen":
"Das zeigt, dass in Polen nicht wirklich eine Wechselstimmung herrscht. Und für die meisten Wähler ist diese Idee, dass das einzige, was zählt, ist, die Regierungspartei abzuwählen, nicht wirklich überzeugend. Das ist nicht das Mehrheits-Gefühl in Polen. Viele Bürger wollen die PiS abwählen, aber sie wollen nicht eine Koalition mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner in die Regierung wählen."
Eine Koalition mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner ist wenig attraktiv
Die Bauernpartei PSL stieg also aus der Oppositionskoalition aus. Daraufhin kündigte die "Bürgerplattform" auch das Bündnis mit den Linken auf. Sie fürchtete, sonst selbst als linke Partei wahrgenommen zu werden. Trotzdem hält der Vorsitzende der "Bürgerplattform" Grzegorz Schetyna daran fest, alle politischen Richtungen zu vertreten:
"Wir haben eine neue Formel gefunden, wie wir alle einen können, die mit uns für ein demokratisches, rechtsstaatliches, europäisches Polen kämpfen wollen. Wir stellen 20 Prozent unserer Listenplätze für Personen aus der Bürgerbewegung zur Verfügung, aus Nicht-Regierungsorganisationen, Personen, die bisher nicht an der Parlamentspolitik beteiligt waren."
Neben der Bauernpartei und dem Zentrums-Block hat sich inzwischen auch ein linker Oppositions-Block gebildet. Die SLD hat sich mit einer neuen linken Partei zusammengeschlossen: der Partei "Frühling" von Robert Biedroń. Robert Biedroń machte sich unter anderem als Schwulen-Aktivist einen Namen. Er tritt für eine Ehe gleichgeschlechtlicher Paare ein. "Frühling" hatte bei der Europawahl debütiert und immerhin knapp die Fünf-Prozent-Hürde überwunden.
Drei Blöcke für die Demokratie
Drei Blöcke - für die Demokratie sei das gut, meint Patryk Szostak von der konservativen Warschauer Denkfabrik "Institut der Freiheit". Getrennt könne die Opposition leichter Stellung beziehen, etwa zur Finanzpolitik.
"Alle polnischen Parteien haben bis 2015 eine relativ moderat konservative monetäre Politik geführt. Der Zins war bei uns immer ziemlich hoch angesetzt. Man wollte legitimiert vor den internationalen Finanzmärkten auftreten. Da hat PiS jetzt ein neues Paradigma eingeführt."
Tatsächlich: Die PiS hat sich nicht gescheut, den Haushalt stärker zu belasten und die Sozialausgaben zu steigern - der wichtigste Grund für ihren Erfolg. Die Opposition braucht eine klare Haltung dazu, wenn sie überzeugen möchte. Zumindest bei den Wahlen zur zweiten Parlamentskammer, dem Senat, wollen sich die Oppositionsparteien aber absprechen. Denn dabei handelt es sich um Direktmandate, die in einem Mehrheitswahlsystem vergeben werden. Oppositionskandidaten, die konkurrieren, würden da also nur dem jeweiligen Bewerber der PiS helfen.