Das 5G-Netz und Huawei

Die Bundesregierung in der Klemme

05:32 Minuten
Bundeskanzlerin Angela Merkel auf der Industriemesse in Hannover im März 2019. Angela Merkel steht an einem Podium und hält eine Rede.
Jens Zimmermann, digitalpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion: „Ich glaube, die Bundeskanzlerin, das Bundeskanzleramt hat unterschätzt, wie wichtig diese Diskussion ist." © imago images/Xinhua
Von Johannes Kuhn · 10.12.2019
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Beim Ausbau des 5G-Netzes soll auch der chinesische IT-Konzern Huawei zum Zuge kommen. Wie und im welchem Umfang darüber gibt es unter den Parteien Streit. Dieser hätte allerdings vermieden werden können.
Stabile Beziehungen zu China sollten zum Vermächtnis gehören, das Angela Merkel Deutschland hinterlässt. Wenn es um die Beteiligung Huaweis am 5G-Ausbau ging, klang die Bundeskanzlerin deshalb lange so:
"Von zwei Dingen halte ich nichts: Erstens, diese sehr sensiblen Sicherheitsfragen mal auf dem öffentlichen Markt auszutragen. Und zweitens, einfach einen Teilnehmer, weil er aus einem Land kommt, per se auszuschließen."
Punkt 1 ist längst Realität: Kanzleramt und Wirtschaftsministerium wollten eigentlich, dass die Frage nach der 5G-Beteiligung Huaweis mit einer technischen Risikoabschätzung beantwortet wird. Doch Außen- und Sicherheitspolitiker drängten auf eine politische Bewertung und trugen diese Forderung erfolgreich in ihre Parteien. Jens Zimmermann, digitalpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion:
"Ich glaube, die Bundeskanzlerin, das Bundeskanzleramt hat unterschätzt, wie wichtig diese Diskussion ist. Deswegen kam ja auch sehr viel Gegenwind aus dem Parlament heraus, sowohl von SPD, als auch von CDU."

Eine Lex Huawei wird es nicht geben

Auf dem CDU-Parteitag beschlossen die Delegierten, dem Bundestag größere Mitspracherechte zu geben. Das fordert auch die SPD-Fraktion. Derzeit laufen innerhalb der Koalition Gespräche, wie ein Kompromiss zwischen den Fraktionen und der Regierung aussehen könnte.
Klar ist: Eine Lex Huawei wird es nicht geben. Womöglich aber einen Passus im Telekommunikationsgesetz, wonach Hersteller kritischer Infrastrukturen auch danach überprüft werden, wie die politische Situation in ihrem Heimatland ist. Das könnte je nach Formulierung das Aus für Huawei und den chinesischen IT-Konzern ZTE bedeuten.
Das wiederum würde nicht nur die von der Kanzlerin gehüteten chinesisch-deutschen Beziehungen beschädigen, sondern wohl handfeste Vergeltungsmaßnahmen nach sich ziehen. Janka Oertel, Leiterin des Asien-Programms im European Council of Foreign Relations.
"Sollte es de facto unmöglich sein für die chinesischen Konzerne, am Ausbau teilzunehmen, wird dies Konsequenzen haben für europäische Konzerne in China. Hier wird durchaus Gleiches mit Gleichem vergolten werden und das wird ein hohes Maß an Unmut auch auf politischer Ebene nach sich ziehen."

Europa sitzt zwischen den Stühlen

Die Frage der Sicherheit vor Spionage und Sabotage ist deshalb nur ein Aspekt, um den es geht. Längst erscheinen Deutschland und Europa an der Schnittstelle von Digitalisierung und Geopolitik eingeklemmt: Zwischen den USA auf der einen und China auf der anderen Seite.
Isabel Skierka vom Digital Society Institute an der European School of Managment and Technology in Berlin, listet die digitalen Abhängigkeiten auf:
"Cloud Computing, da ist Europa quasi komplett abhängig von nicht-europäischen Anbietern, vor allem in den USA. Dazu zählen auch Fähigkeiten in Soft- und Hardware in maschinellem Lernen oder Machine Learning/Künstliche Intelligenz. Im Bereich 5G hat Europa sogar zwei sehr große industrielle Player."
Der finnische Hersteller Nokia und die schwedische Firma Ericsson bieten ebenfalls 5G-Komponenten an. Die deutschen Netzbetreiber beteuern allerdings: Mit deren Komponenten werde der 5G-Ausbau deutlich teurer und würde auch länger dauern.
In der Huawei-Frage verbirgt sich deshalb auch eine Standortfrage, gilt der schnelle 5G-Ausbau doch als essentiell für die deutsche Wirtschaft. Zugleich aber könnte eine wachsende Marktmacht Huaweis die europäischen Akteure Ericsson und Nokia mittelfristig aus dem Markt drängen, also dem europäischen Digitalstandort schaden. Janka Oertel vom European Council of Foreign Relations:
"Was wir erlebt haben über die letzten Jahre oder Jahrzehnte, ist eine Konsolidierung dieses Marktes, die auch dadurch stattgefunden hat, dass von chinesischer Seite Preise gedrückt wurden, die sonst vielleicht das Überleben und auch den Wettbewerb anderer europäischer Konzerne ermöglicht hätten."

In Brüssel wächst der Widerwillen gegen Huawei

Angesichts der Melange aus Sicherheits-, Standort- und geopolitischen Fragen drängt die Bundesregierung inzwischen auf eine europäische Lösung. Auch in Brüssel wächst inzwischen der Widerwillen gegen Huawei. Doch geopolitische Alternativen wie eine transatlantische Digital-Partnerschaft mit den USA ist nach den Überwachungsenthüllungen Edward Snowdens ebenfalls nicht unproblematisch.
Am Ende, so Isabel Skierka vom Digital Society Institute, rächen sich einmal mehr die europäischen Versäumnisse im Aufbau der Digitalwirtschaft.
"Generell hat es Europa in den letzten Jahren versäumt, Schlüsseltechnologien aufzubauen. Und das hat unterschiedliche Ursachen, aber ganz klar liegt es auch daran, dass wir zwar immer sehr viele gute Ideen haben, aber oft wird davon nicht viel implementiert. Und gerade diese Implementierungslücke ist was, was wir angehen müssten."
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