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Eskalation am Golf

Matthias von Hein6. Januar 2016

Was immer es an Hoffnung für Syrien und den Jemen gab: Der Streit zwischen Saudi-Arabien und dem Iran lässt Friedenslösungen in noch weitere Ferne rücken. Hardliner auf beiden Seiten haben Aufwind.

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Proteste gegen die Hinrichtung von Nimr Al-Nimr in Saudi Arabien (Foto:REUTERS/Thaier Al-Sudani)
Bild: Reuters/T. Al-Sudani

Saudi-Arabien hat nicht zum ersten Mal seine diplomatischen Beziehungen zum Iran abgebrochen. Das gab es schon einmal Ende der 1980er Jahre. Die Regionalmächte fanden erst 1990 wieder zusammen: Nachdem der gemeinsame irakische Feind Saddam Hussein in Kuwait einmarschiert war.

Im Unterschied zu damals aber hat der eskalierende Konflikt um die Vorherrschaft zwischen Saudi-Arabien und dem Iran heute Folgen für die ganze Region. Denn beide Staaten sind tief verwickelt in die Kriege in Syrien und im Jemen. Und auch im Irak stehen sie sich feindlich gegenüber.

Jegliche Hoffnung auf einen Durchbruch etwa in Syrien hänge von einer Annäherung zwischen Saudis und Iranern ab, betont Julian Barnes-Dacey vom European Council on Foreign Relations (ECFR). Es hatte viel diplomatisches Geschick gebraucht, Teheran und Riad in Wien überhaupt gemeinsam an einen Verhandlungstisch zur Zukunft Syriens zu bringen. Die jüngsten Ereignisse, so Barnes-Dacey im DW-Gespräch, hätten die Aussichten auf Fortschritte deutlich erschwert.

Rauchsäule nach einem Luftangriff Saudi Arabiens auf eine Armee Basis in Sanaa (Foto: picture-alliance/AP Photo/H.Mohammed)
Der reichste Staat Arabiens bombardiert den ärmsten Staat der Region: Saudische Luftangriffe im JemenBild: picture-alliance/AP Photo/H.Mohammed

Vertrauensvorschuss verspielt

Obwohl Saudi-Arabien zwischenzeitlich betont hat, dass die Verhandlungen nicht aufgegeben werden sollen, ist auch Sebastian Sons von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) skeptisch. Im Interview mit der DW beklagt Sons, der zunächst vorhandene, minimale Vertrauensvorschuss zwischen beiden Seiten sei jetzt verspielt: "Dementsprechend kann ich mir kaum vorstellen, dass in der derzeit aufgeheizten Situation konkrete Ergebnisse erzielt werden können - sei es nächste Woche bei den Verhandlungen über den Jemen oder bei den Syrien-Gesprächen in Wien."

Barnes-Dacey vom ECFR sieht Saudi-Arabien und den Iran in einem "fast existentiellen Kampf um regionale Vorherrschaft". In dem seien sowohl auf saudischer als auch auf iranischer Seite Hardliner am Werk, die Dialog und die für Friedenslösungen nötigen Kompromisse ablehnten und stattdessen weiter auf Polarisierung setzten.

Bezüglich der Besetzung der saudischen Botschaft in Teheran spricht Barnes-Dacey von Gegnern des iranischen Präsidenten Hassan Rohani, die dessen diplomatische Annäherung an den Westen und an regionale Akteure sabotierten und "das saudische Spiel weiterer Polarisierung gerne mitspielen".

Zerstörtes Krankenhaus im syrischen Aleppo
Der Konflikt zwischen Riad und Teheran erschwert eine Friedenslösung für das kriegszerstörte SyrienBild: picture-alliance/AA/S. Leila

Machtbalance verschoben

Die Machtbalance der beiden Rivalen am Golf hatte sich in jüngster Zeit zu Gunsten Teherans verschoben. Besonders schmerzt die Saudis der Nukleardeal mit dem Iran. Der hat Teheran den Weg zurück auf die internationale Bühne eröffnet. Zugleich muss die saudische Monarchie mit einem sinkenden Ölpreis zurechtkommen, ist konfrontiert mit Frustration in der eigenen Bevölkerung, muss die schleichende, aber unübersehbare Abkehr der USA und anderer westlicher Verbündeter erleben.

Arabien-Kenner Sons analysiert: "Saudi-Arabien fühlt sich - ob das so stimmt oder nicht, sei einmal dahin gestellt - umzingelt von iranisch-dominierten Feinden: In Bahrain, in Syrien, im Jemen und im Irak." Dabei werde in Riad der Einfluss des Irans auf die Schiiten in Bahrain, auf die saudischen Schiiten und auch auf die Houthi-Rebellen im Jemen deutlich überschätzt.

Sons diagnostiziert in Riad eine paranoide Haltung gegenüber dem Iran, die realpolitisches und pragmatisches Handeln unmöglich mache und verhindere, dass man den kleinsten gemeinsamen Nenner mit Teheran finde. Als religiöse und politische Führungsmacht der Sunniten konnte Riad mittlerweile einige seiner Alliierten dazu bewegen, ebenfalls die diplomatischen Beziehungen zu Teheran abzubrechen oder zumindest herunter zu fahren: Bahrain, Kuwait, die Vereinigten Arabischen Emirate und der Sudan.

Schwierige Vermittlung

Entsprechend schwer wird es werden, zwischen den Kontrahenten zu vermitteln. Russland hatte sich selbst als Vermittler ins Gespräch gebracht. Ein einziger Partner werde aber nicht genügen, meinen die Experten Barnes-Dacey und Sons. Die USA seien da unverzichtbar, auch wenn es zwischen Riad und Washington in jüngerer Zeit Verwerfungen gab.

Und die Europäer? Sie können vielleicht erst einmal nicht mehr tun, als ein Forum zu schaffen, bei dem sich beide Seiten begegnen können und so die Gelegenheit schaffen für diplomatisches Handeln. Das ist freilich nicht so schlagzeilenträchtig wie eine Botschaftsbesetzung oder eine Massenhinrichtung. Sondern eher so, wie es der iranische Atomunterhändler Said Dschalili einmal beschrieben hat: Wie das Weben eines Teppichs - der Fortschritt kommt nur millimeterweise.