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Wirtschaftlicher Riese mit Defiziten

Matthias von Hein/Fu Yue25. August 2015

Als Handelsmacht ist die EU eine anerkannte Größe. Auf der politischen Waagschale bringt sie ihr Gewicht nur unzureichend zum Tragen. China setzt beim Umgang mit den EU-Staaten enttäuscht auf die bilaterale Ebene.

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Ein Chinesischer Offizier hebt vor dem Hintergrund der Europäischen Flagge die hand, um Fotigrafen abzuwehren.(Foto: EPA/MICHAEL REYNOLDS)
Bild: picture-alliance / dpa

China ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, seit 2013 ist es die größte Handelsnation. Vor allem aus wirtschaftlichem Interesse blickt Peking auf die Europäische Union mit ihren 500 Millionen Konsumenten. Jeden Tag werden Waren im Wert von über einer Milliarde Euro ausgetauscht. Das macht die EU zu Chinas wichtigstem Handelspartner. So wichtig Europa aber als Wirtschaftspartner ist: Die zentrale Stellung in den chinesischen Außenbeziehungen nehmen die USA ein, auch wegen ihrer militärischen Präsenz im asiatisch-pazifischen Raum.

Chinesisches Containerschiff
Die Beziehungen der EU zu China sind vor allem WirtschaftsbeziehungenBild: DW

"Riese mit Defiziten"

Dabei wird Europa in China überwiegend positiv gesehen. Aber der Glanz verblasst. Qiu Yuanlong, Europaexperte bei der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften, hält das oft zitierte Bild vom "wirtschaftlichen Riesen und politischen Zwerg" für überholt: Weil die Wettbewerbsfähigkeit der EU nachlasse, sei sie heute ein Riese mit Defiziten, urteilt der Professor aus Peking.

Im Jahr 2003 werteten die EU und China ihre Beziehungen auf: Zu einer "Umfassenden Strategischen Partnerschaft". Das ist die zweithöchste Klassifizierung in Chinas Außenpoltik. Der praktische Ausfluß dieser Partnerschaft bestehe vor allem in regen gegenseitigen Besuchen, erläutert Francois Godemont. Der Chinaspezialist beim European Council on Foreign Relations zählt auf: "Es gibt das jährliche Gipfeltreffen. Und dann gibt es noch zwischen 70 und 80 reguläre Dialogforen." Dafür braucht man eine Menge an Personal. Die Europa-Abteilung im chinesischen Außenministerium ist rund 160 Mitarbeiter stark. Die chinesische EU-Botschaft ist mit etwa 70 Mitarbeitern besetzt. Der Botschafter selbst hat den Rang eines Vize-Ministers.

Chinesischer Premier Li Keqiang mit EU-Kommissionspräsident Juncker und Donald Tusk im Juni 2015 in Brüssel (Foto: JOHN THYS/AFP/Getty Images)
Jährliche Gipfeltreffen: EU und ChinaBild: AFP/Getty Images/J. Thys

EU kein vollwertiger strategischer Akteur

Allerdings hat die "Strategische Partnerschaft" aus chinesischer Sicht einen wesentlichen Mangel: Für Peking ist die EU kein vollwertiger strategischer Akteur. Das liegt vor allem an den Europäern selbst, an ihrer mangelnden Einigkeit. Der Pekinger Europa-Experte Qiu stellt zwar fest, dass die EU im Bereich des Handels eine gemeinsame Politik verfolgt, nicht aber in politischen und gesellschaftlichen Fragen. Auf einen der klassischen Konfliktpunkt zwischen Europäern und Chinesen angesprochen, erklärt Qiu im Gespräch mit der DW: "In der Menschenrechtsfrage hat jedes Land der EU unterschiedliche Ansichten. Und China hört natürlich gerne, was die chinafreundlichen Länder dazu sagen." Spötter sagen deshalb gerne, es gebe nicht eine europäische China-Politik, sondern gleich 29: Eine von jedem Mitgliedsland plus die europäische aus Brüssel. Qiu Yuanlong kommentiert diplomatisch, er fände es besser, wenn die EU als Ganzes mit China verhandele. "Aber China legt auch großen Wert auf die Beziehungen mit einzelnen Mitgliedsländern wie Deutschland, Frankreich, Großbritannien." Außerdem habe man es mit seinen Anliegen auch leichter in Brüssel, wenn man zuvor schon in Berlin einen Durchbruch erreicht habe, so der chinesische Europakenner weiter.

China Peking Besuch EU Aussebauftragte Federica Mogherini (Foto: REUTERS/Kim Kyung-Hoon)
Dutzende Diskussionsforen für ein Fülle von ThemenBild: Reuters/Kim Kyung-Hoon

Wichtige Entscheidungen fallen nicht in Brüssel

Die Beziehungen zwischen Berlin und Peking sind tatsächlich besonders eng. Und ebenfalls von der Wirtschaft getrieben. Der Handel mit Deutschland macht knapp 40 Prozent des gesamten Warenaustauschs der EU mit China aus. Auch mit Deutschland unterhält China eine "Strategische Partnerschaft" – so wie übrigens auch mit Frankreich, England, Italien, Spanien und Portugal. Eine Besonderheit der deutsch-chinesischen Beziehungen sind allerdings die gegenseitigen Regierungskonsultationen. Einmal jährlich treffen sich die fast vollständigen Kabinette beider Länder - mal in Deutschland, mal in China. Nur mit acht anderen Staaten unterhält Deutschland ein derart hochrangiges und intensives Dialogforum. Zwar erkennt China-Experte Godemont durchaus den Wert dieses Austausches an. Aber andererseits schwäche er Brüssel, denn "die wichtigen Entscheidungen und die wichtigen Dialoge scheinen anderswo stattzufinden".

Insgesamt verhalte sich China pragmatisch, fährt Godemont fort. Peking wähle jeweils den Gesprächspartner, der seinen Interessen am meisten dient. Peking sei dabei keineswegs anti-europäisch. Aber häufig lasse sich bilateral mehr erreichen. "China verhandelt direkt mit den Machtzentren – und das sind häufig die Nationalstaaten", erklärt der französische China-Kenner. Dazu kommt: Die Entscheidungsmechanismen in der EU sind kompliziert. Die Zusammenarbeit mit den einzelnen Mitgliedsstaaten ist wesentlich einfacher als mit den EU-Institutionen.

Manchmal setzt aber auch China auf die multilaterale Karte - allerdings nicht unbedingt im Sinne der EU. So hat China ein eigenes Gipfelformat mit 16 Staaten aus Mittel – und Osteuropa geschaffen. Mit dabei: Einige osteuropäische EU-Mitglieder.

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