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"Der Iran betreibt keine konfessionell motivierte Politik"

Kersten Knipp3. Dezember 2014

Der Iran bekämpft den "Islamischen Staat" im Irak schon seit längerem, sagt die Politologin Ellie Geranmayeh im Gespräch mit der Deutschen Welle. Damit trete er vor allem für die bestehende Ordnung in der Region ein.

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Der iranische Staatschef Ali Khamenei im Gespräch mit dem irakischen Premier Haider al-Abadi, 21.10.2014 (Foto: EPA)
Der iranische Staatschef Ali Khamenei im Gespräch mit dem irakischen Premier Haider al-AbadiBild: picture-alliance/dpa

DW: Frau Geranmayeh, zunächst hieß es, der Iran habe den "Islamischen Staat auf irakischem Gebiet angegriffen. Dann dementierte Teheran. Was können Sie über den aktuellen Stand der Dinge sagen?

Ellie Geranmayeh: Der Iran hat entsprechende Luftangriffe im Irak bislang nicht bestätigt. Doch seit Beginn des Feldzugs, den der "Islamische Staat" (IS) im Juni dieses Jahres im Nordirak begann, betreibt der Iran mit Hilfe von Drohnen ein Aufklärungsprogramm über dem Irak. Der Iran ist im irakischen Luftraum eindeutig aktiv. Und es ist auch nicht überraschend, dass er sich der irakischen Luftoffensive gegen den IS angeschlossen hat. Ich bezweifele, dass der Iran die Weltöffentlichkeit über diese Schritte in absehbarer Zeit informieren wird. Aber allein der Umstand, dass das Pentagon nun über diese Aktivitäten berichtet, lässt vermuten, dass sich derzeit etwas tut.

Welche Haltung hat der Iran gegenüber dem IS? Welche Ziele verfolgt man in Teheran?

Der Iran hat drei Anliegen. Zunächst einmal hat der Iran gemeinsam mit dem Westen ein Interesse daran, dem IS Einhalt zu gebieten und ihn im Irak und in Syrien zu besiegen.
Zweitens geht es Iran darum, die territoriale Integrität des Irak und Syriens gegenüber der expansionistischen Vision des Islamischen Staates zu verteidigen.
Drittens will man aber verhindern, dass weder der IS noch die vom Westen angeführte Militärkampagne langfristig die territorialen Interessen untergräbt.

Der IS bedroht den Iran also nicht direkt?

Staaten der Region - Saudi-Arabien oder Jordanien ebenso wie Irak und Syrien - haben ein unmittelbares Problem mit der Sicherheit ihrer Grenzen. Iran steht vor anderen Herausforderungen. Er hat bislang keinen nennenswerten Aufstand im Inneren erlebt. Und die einzige äußere Bedrohung geht von einigen sunnitisch inspirierten Gruppen in Pakistan aus. Diese haben ihre militärischen Angriffe auf den Iran in den letzten Monaten verstärkt. Dabei starben mehrere iranische Sicherheitsleute. Bislang ist noch nicht absehbar, ob sich solche Terrorgruppen mit dem IS zusammentun. Zum anderen wurden einige Personen bei dem Versuch verhaftet, die Grenze nach Afghanistan oder Pakistan zu passieren. Von dort aus wollten sie sich im Irak dem IS anschließen. Die Festnahmen haben verhindert, dass der Iran zu einer Art Transitland für islamistische Terroristen wurde.

Ellie Geranmayeh (Foto: privat)
Ellie Geranmayeh: "Der Iran ist vom IS allenfalls indirekt bedroht"Bild: Privat

Also eine relativ überschaubare Gefahr?

Ja. Die Bedrohung Irans durch den IS besteht allenfalls indirekt. Zudem handelt es sich um eine Bedrohung von außen, nicht von innen. Andere Staaten der Region sehen sich einer wachsenden Radikalisierung ihrer sunnitischen Bevölkerung gegenüber. Dieses Problem hat Iran nicht. Und es scheint mir auch recht unwahrscheinlich, dass die iranischen Sunniten mit dem IS und seiner Ideologie sympathisieren.

Seit Beginn der Aufstand in Syrien unterstützt Iran das Assad-Regime. Warum?

Der Iran hat immer gesagt, dass sein Bündnis mit dem syrischen Regime keine konfessionellen Gründe hat. Das zeigt sich etwa daran, dass das alevitisch dominierte Regime in Syrien säkularer Natur ist. In Afghanistan hingegen unterstützt Iran die Regierung unter Hamid Karsai. Karsai ist paschtunisch-sunnitischen Ursprungs. Ebenso unterstützt Iran die palästinensische Hamas, die eine sunnitische Gruppierung ist. Die Gründe für das iranische Engagement in Syrien liegen woanders: Iran und Syrien haben eine Sicherheitsrahmenvereinbarung – ähnlich jener Abkommen, die die NATO mit ihren Partnern unterhält. Außerdem unterstützt Iran die Assad-Regierung, weil Syrien der einzige arabische Staat war, der Iran während des Krieges mit dem Irak unterstützte. Aus iranischer Sicht ist das derzeitige Engagement auch aus rechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Außerdem verbindet Syrien Iran mit der Hisbollah im Libanon. Iran hat großes Interesse daran, diesen Zugang zu erhalten.

Findet in Syrien ein Stellvertreter-Krieg zwischen Iran und Saudi-Arabien statt?

Der Iran und Saudi-Arabien sind seit langem im Syrien-Konflikt engagiert. Wenn es dort zu einer langfristigen Lösung kommen soll, müssen diese beiden Staaten zuvor ihre Differenzen beigelegt haben. Darüber hinaus sehen wir auch, dass beide Staaten auf dem Gebiet des Jemen aneinander geraten. Zusammengefasst: Ja, es gibt eine Plattform, auf der Iran und Saudi-Arabien um die aus ihrer Sicht angemessene regionale Ordnung miteinander wetteifern.

Ellie Geranmayeh ist Juristin. Jahrelang forschte sie an verschiedenen Universitäten über internationales Recht. Am "European Council on Foreign Relations" schreibt sie vor allem über die Innen- und Außenpolitik des Iran.