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Wirtschaftsszenarien 2012 Hallo Krise!

Sie hoffen auf den Aufschwung? Vergessen Sie's! Im kommenden Jahr bekommt die deutsche Wirtschaft die Euro-Krise mit voller Wucht zu spüren. Mit Glück ist noch ein Mini-Wachstum drin - wenn die Dinge schlecht laufen, droht der tiefste Absturz seit Jahrzehnten.
Von Sebastian Dullien
Container-Terminal: Bedrohte deutsche Exportindustrie

Container-Terminal: Bedrohte deutsche Exportindustrie

Foto: dapd

Mitte Januar wird Deutschland noch einmal Grund zum Jubeln haben: Dann wird die endgültige Wachstumszahl für die deutsche Wirtschaft 2011 bekannt. Um rund drei Prozent dürfte das Bruttoinlandsprodukt zugelegt haben. Unter den großen OECD-Ländern ist das Spitze. Die deutsche Wirtschaft dürfte fast doppelt so schnell gewachsen sein wie die amerikanische und deutlich schneller als die Volkswirtschaften Frankreichs, Italiens oder Japans.

Leider dürfte das auf absehbare Zeit die letzte wirklich gute Nachricht gewesen sein. Denn die Euro-Krise, die 2011 die Schlagzeilen beherrscht hat, wird die deutsche Wirtschaft im neuen Jahr mit Wucht treffen.

Schon jetzt ist das erkennbar. Hat doch die Euro-Krise die deutsche Wirtschaft zum Jahreswechsel massiv gebremst. Die Aufträge der Industrie schwächeln seit Monaten. Umfragen unter Einkaufsmanagern deuten darauf hin, dass die Produktion rückläufig ist. Die Bestellungen von Kunden aus Krisenländern wie Griechenland, Spanien oder Italien sinken. Immer mehr Unternehmen halten sich mit Investitionen zurück, weil die Lage so unsicher ist.

Das ist erst der Anfang. Frühindikatoren für Spanien und Italien deuten darauf hin, dass die Rezession gerade erst begonnen hat. Sowohl die Regierung von Mario Monti als auch jene von Mariano Rajoy planen, die Staatsausgaben radikal zu beschneiden und Steuern zu erhöhen. Beides wird den Abschwung verstärken. Schon jetzt planen die Unternehmen in diesen Ländern Stellenkürzungen. Das heißt: weniger verfügbare Einkommen und weniger Konsum. Obendrein steigen die Zinsen; das schreckt Betriebe ab, die noch investieren wollen.

Aus all diesen Gründen lahmt das Wachstum in den Euro-Krisenstaaten - und auch in Frankreich, das Deutschlands wichtigster Handelspartner ist. Eine lahmende Euro-Zone aber ist schlecht für den Exportsektor: Die Nachfrage nach deutschen Autos, Maschinen oder Chemieprodukten sinkt. Da hilft es auch nicht, dass Schwellenländer wie China oder Brasilien weiter wachsen. Im Vergleich zu den Euro-Märkten spielen sie für die deutschen Ausfuhren nur eine untergeordnete Rolle.

Kein Konsumschub zu erwarten

Optimisten setzen nun vor allem auf den Wohnungsbau und auf den privaten Konsum; beides soll das deutsche Wachstum stützen, wenn die Ausfuhren einbrechen. Tatsächlich sind die Hypothekenzinsen in Deutschland derzeit historisch niedrig, und die Löhne sind erstmals seit Jahren stärker gestiegen als die Verbraucherpreise.

Im Vergleich zu anderen Ländern ist das Lohn-Plus aber nur moderat. Ein großer Konsumschub ist daher nicht zu erwarten. Und der Wohnungsbau ist ein verhältnismäßig kleiner Sektor. Der gesamte Bau macht nicht einmal sechs Prozent des produzierenden Gewerbes aus. Das wird nicht reichen, um die Krisenfolgen auszugleichen.

Selbst wenn sich die Euro-Krise nicht weiter zuspitzt, die Zinsen in den Euro-Peripherie wieder etwas fallen und die Rezessionen von Spanien bis Italien mild ausfallen, wird es der deutschen Wirtschaft schwerfallen, 2012 ein Wirtschaftswachstum auch nur von einem Prozent zu erreichen. Viel wahrscheinlicher sind derzeit Micker-Raten von vielleicht einem halben Prozent oder gar Stagnation.

Und selbst dieses Micker-Wachstum steht unter großem Vorbehalt. Immerhin kann sich die Euro-Krise zuspitzen - und die deutsche Wirtschaft schlimmstenfalls an den Rand einer neuen Depression bringen.

Drohende globale Depression

Denkbar sind ein Zahlungsausfall in Griechenland - und ein Auseinanderbrechen der Euro-Zone. In einem solchen Szenario würde die griechische Regierung die Vorgaben von Internationalem Währungsfonds und EU-Kommission nicht länger akzeptieren, Schuldzahlungen einstellen und eine eigene Währung einführen.

Die Währung würde stark abwerten, und das Geld griechischer Anleger wäre schlagartig weniger wert. Dadurch könnte es eine Kettenreaktion geben: Anleger in Italien und Spanien könnten ähnliche Schritte in den eigenen Ländern fürchten - und ihr Geld aus den Ländern schaffen.

Die Finanzsysteme in immer mehr Ländern kämen unter Druck, und die Regierungen stünden im Extremfall vor der Wahl, das eigene Bankensystem zusammenbrechen zu lassen oder ihrerseits aus dem Euro auszusteigen. Schlimmstenfalls würde in diesem Szenario die Euro-Zone auseinanderbrechen.

Das wäre katastrophal für Deutschland. Die D-Mark müsste wieder eingeführt werden und würde massiv aufwerten. Deutschlands Exporteure hätten über Nacht einen gewaltigen Wettbewerbsnachteil. Weil viele Unternehmen und Staaten im Süden Europas ihre Schulden nicht mehr bedienen könnten, würden neue Bankenkrisen drohen - nicht nur in Europa, sondern auch in den USA. Die Welt könnte in einer globale Depression versinken.

Vor diesem Szenario ist ein mickriges Wachstum von einem halben Prozent im kommenden Jahr ein Hoffnungswert.

Gibt es denn gar nichts Positives für 2012 zu erwarten? Doch. Zumindest für Verbraucher gibt es einen kleinen Trost: Die Inflationspanik der vergangenen Monate wird sich als übertrieben herausstellen. Allen Unkenrufe zum Trotz: Der Preisanstieg in Deutschland wird auch 2012 begrenzt bleiben. Mit großer Wahrscheinlichkeit dürfte die Teuerung sogar geringer ausfallen als 2011.