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Schuldenkrise Jetzt kann nur noch die Euro-Zentralbank helfen

Italien bekommt eine neue Regierung, ist die Euro-Zone nun gerettet? Mitnichten: In den Krisenländern steigen die Zinsen für öffentliche Schulden weiter, die Wirtschaft schrumpft. Helfen kann nur noch die Europäische Zentralbank - indem sie im großen Stil Staatsanleihen kauft.
Von Sebastian Dullien
Sitz der EZB in Frankfurt: Die Notenbanker haben ein Eigeninteresse, den Euro zu retten

Sitz der EZB in Frankfurt: Die Notenbanker haben ein Eigeninteresse, den Euro zu retten

Foto: dapd

Hamburg - Es sind hoffnungsvolle Signale, die derzeit aus Italien kommen: Das Parlament nickt ein neues, umfangreiches Sparpaket ab, der verhasste Premier Silvio Berlusconi ist abgetreten, und mit Mario Monti übernimmt ein ausgewiesener Wirtschaftsfachmann die Geschäfte in Rom. Endlich, so ist die Hoffnung, werden die Finanzmärkte wieder Vertrauen in die drittgrößte Euro-Wirtschaft fassen und Europa die akute Staatsschuldenkrise überwinden.

Doch leider dürfte diese Hoffnung sich bestenfalls vorübergehend erfüllen. Weder die Sparpakete in Italien noch ein neuer Premier Monti werden dauerhaft in der Lage sein, die Märkte zu beruhigen. Einen Vorgeschmack für die bestehende Unsicherheit gab es bereits am Montag: Bei einer Auktion von Staatsanleihen mit fünf Jahren Laufzeit musste Italien mehr als sechs Prozent Zinsen zahlen. So viel wie nie seit der Einführung des Euro.

Schon jetzt ist absehbar, dass die Reformen weder in Italien noch in den anderen Krisenstaaten die Defizite und die Verschuldung nachhaltig verringern können: Wie die neue Prognose der EU-Kommission und wichtige Konjunkturindikatoren zeigen, stecken die meisten Euro-Staaten bereits in einer neuen Rezession, oder sie stehen kurz davor. Die neuen Sparpakete werden das Wirtschaftswachstum weiter bremsen - insbesondere weil sich die Abwärtstrends in den einzelnen Ländern gegenseitig verstärken. Die italienische Wirtschaft etwa wird nicht nur getroffen, weil der eigene Staat weniger Straßen baut, sondern auch, weil wegen der französischen Sparmaßnahmen weniger Autos ins Nachbarland exportiert werden.

Alles deutet also darauf hin, dass in den kommenden Wochen die Wachstumsprognosen noch weiter zurückgenommen werden müssen. Weniger Wachstum aber heißt automatisch: weniger Steuereinnahmen und mehr Ausgaben für Arbeitslosigkeit und damit erneut verfehlte Defizitzahlen.

Einen sinnvollen Rettungsversuch hat Deutschland blockiert

Zugleich werden die Finanzmärkte neben Italien auch Frankreich und andere Euro-Staaten argwöhnisch beäugen. Dabei werden sie nicht nur darauf achten, ob die versprochenen Kürzungen eingehalten werden, sondern auch, ob die Steuereinnahmen wegbrechen oder ob vielleicht andere Anleger beginnen, Staatsanleihen zu verkaufen - schließlich möchte jeder Investor die Schuldtitel möglichst loswerden, bevor Verkäufe anderer die Preise drücken.

Jeder kleinste Anlass kann ausreichen, um eine neue Flucht aus den Anleihen der Krisenstaaten auszulösen, was die Zinsen wieder in die Höhe treiben würde. Höhere Zinsen werden dann erneut zu einem höheren Defizit führen - ein Teufelskreis, aus dem die Länder aus eigener Kraft keinen Ausweg finden.

Mit ihren bisherigen Instrumenten sind die europäischen Regierungen am Ende, das gilt vor allem für den Rettungsfonds EFSF. Von dem ursprünglichen Ausleihvolumen von 440 Milliarden Euro sind nur noch 250 Milliarden Euro frei verfügbar. Mit dieser Summe kann Italien nicht einmal seinen Finanzierungsbedarf für 2012 decken.

Auch die beschlossenen Versuche zur sogenannten Hebelung dürften alle nicht funktionieren. Denn sie setzen darauf, dass sich private Anleger mit Risikokapital am EFSF beteiligen - eine regelrecht absurde Hoffnung. Der eigentlich sinnvolle Vorschlag der Franzosen, den EFSF wie eine staatliche Bank zu behandeln und ihm Zugang zu Krediten der Europäischen Zentralbank zu gewähren, ist von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf dem Euro-Gipfel abgeschossen worden.

Bei der EZB geht es auch um die Rettung der eigenen Jobs

Am Ende gibt es damit nur einen Ausweg: Die Europäische Zentralbank muss garantieren, dass die Zinsen für die Krisenländer nicht über ein gewisses Niveau steigen, etwa fünf oder sechs Prozent. Dazu muss sie bereit sein, unbegrenzt Staatsanleihen zu kaufen, um dieses Zinsniveau durchzusetzen.

Natürlich wird es in Deutschland einen Aufschrei geben: Gerade die deutschen Notenbanker wie der zurückgetretene Jürgen Stark oder Bundesbank-Präsident Jens Weidmann sind die schärfsten Gegner von Anleihekäufen durch die EZB. Und auch viele deutsche Medien schüren in der Debatte um Notenbank-Eingriffe die Inflationsangst.

Wenn es aber am Ende nur die Alternativen Auseinanderbrechen der Euro-Zone oder EZB-Garantie gibt, kann man hoffen, dass sich die Befürworter weitreichender Notenbank-Interventionen durchsetzen. Die Krise, die Europa und der Weltwirtschaft bei einem Zerbrechen des Euro-Raums droht, dürfte leicht die Finanz- und Wirtschaftskrise nach 2008 in den Schatten stellen. Wenn Deutschlands wichtige Exportmärkte im Rest Europas wegbrechen, dürfte auch der hiesige Arbeitsmarkt nicht so glimpflich davon kommen wie nach der Pleite der Lehman-Bank 2009.

Die Gefahr einer Inflation besteht nicht

Glücklicherweise haben der neue EZB-Präsident Mario Draghi ebenso wie seine Kollegen im Notenbank-Direktorium ein handfestes Eigeninteresse, den Euro zu retten: Ihr Job in der EZB hängt schließlich am Fortbestand des Euro. Die Chancen stehen also gut, dass die EZB am Ende tut, was sie tun muss.

Und bei ihrer Inflationspanik sollten die Deutschen einmal die Kirche im Dorf lassen: Anleihekäufe der EZB in der gegenwärtigen Situation würden kaum Inflationsdruck auslösen. Weil die Kapazitäten der Industrie in vielen Ländern nicht ausgelastet und die Arbeitslosigkeit hoch ist, muss man kaum einen kräftigen Lohn- und Preisanstieg erwarten.

Was aber passiert, wenn es der EZB gelingt, die Lage zu stabilisieren und der Aufschwung wieder einsetzt? Droht dann die Hyperinflation? Sicher nicht. Denn dann bleibt immer noch Zeit, die Anleihen wieder zu verkaufen und die Geldmenge zurückzufahren. Und die Märkte werden dann die Anleihen der Krisenstaaten auch gerne zurückkaufen.

Denn mit einem robusten Wachstum können die Regierungen von Italien, Spanien, Frankreich und Irland ihre Schulden recht problemlos bedienen.