Das letzte Ass der Griechen

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SchuldenkriseDas letzte Ass der Griechen

Athen muss am Dienstag die fällige Rate an den IWF zahlen. Nun erklärt ein Komitee die Schulden von Griechenland für illegal.

C. Landolt
von
C. Landolt
Darf Griechenland die Zurückzahlung seiner Schulden verweigern? Eine völkerrechtliche Doktrin böte die entsprechende Grundlage.

Darf Griechenland die Zurückzahlung seiner Schulden verweigern? Eine völkerrechtliche Doktrin böte die entsprechende Grundlage.

In Zusammenhang mit dem Schuldenstreit Griechenlands und der Restrukturierung der Schulden des Landes ist immer wieder von einem Schuldenschnitt die Rede. Eine der strittigsten Fragen lautet: Inwieweit wird Griechenland jemals in der Lage sein, Staatsschulden von rund 320 Milliarden Euro und 180 Prozent des Bruttoinlandprodukts zurückzuzahlen?

Hedge-Fund-Manager wie Jason Manolopoulos etwa sind der Meinung, dass nur ein tiefer Schuldenschnitt zu einem tragbaren Verschuldungsniveau führen und die Gefahr eines Ausscheidens Griechenlands aus der Euro-Zone beenden könne.

Schulden verweigern – geht das?

Darf ein Land die Rückzahlung seiner Schulden verweigern? Griechenland beantwortet diese Frage mit «Ja» und beruft sich dabei auf den Begriff der «illegalen Schulden» («odious debt»). Ein Dokument soll diese Position stützen. Es stammt von dem im April vom griechischen Parlament eingesetzten Wahrheits-Komitee «Truth Committee on Public Debt». Die Gruppe um Parlamentspräsidentin und Menschenrechtsanwältin Zoe Konstantopoulou stellte in ihrem Bericht fest, dass Griechenland seine Schulden nicht begleichen und die Rückzahlung sogar verweigern könne.

Aufgezwungene Schulden

Ihr Argument: Grosse Teile der Staatsschulden seien Griechenland seit 2010 aufgezwungen worden. Die Geldgeber hätten gewusst, dass die Kredite unter Verletzung demokratischer Prinzipien vergeben wurden. Zudem seien die Kredite illegal, weil sie nicht zum Nutzen der Bevölkerung eingesetzt und ohne deren Zustimmung implementiert worden seien, sondern beispielsweise zum Bank Run geführt hätten. Deshalb seien praktisch alle Staatsschulden «illegal, illegitimate and odious» und ihre Rückzahlung deshalb auch nicht vollstreckbar.

Das Konzept der illegitimen Schulden wird seit einigen Jahren in der Entwicklungszusammenarbeit neu diskutiert. Diese nicht unumstrittene völkerrechtliche Doktrin existiert seit 1900 und wurde schon mit Ländern wie Kuba, Südafrika oder dem Irak in Verbindung gebracht.

Athen-Beobachter vermuten nun, der Bericht könnte der Regierung Tsipras in die Hände spielen. Die Syriza-Partei begründet diese Deutung nämlich im Fall Griechenland damit, dass ein Grossteil der Gelder zur europäischen Bankenrettung und nicht zur Stützung des Staates Griechenlands verwendet worden sei. Auch interne Dokumente des IWF würden belegen, dass der Fonds selber bereits 2010 grosse Zweifel an einer Rückkehr zu einem Pfad tragfähiger Schulden hatte, wie Sebastian Dullien, Professor für International Economics an der HTW Berlin, in einem Gastartikel in der «Zeit» schreibt.

Wie geht es weiter?

Ebenfalls noch unklar ist, wie es in der Griechenland-Frage weitergeht. Am Dienstag läuft das aktuelle europäische Hilfsprogramm für das südeuropäische Krisenland aus. Als direkte und indirekte Folge droht, dass das Land Hilfsgelder von zusammen gut 18 Milliarden Euro verliert.

Davon entfallen knapp 11 Milliarden Euro auf einen Posten, der beim Euro-Rettungsschirm EFSF ursprünglich für Kapitalhilfen an griechische Banken vorgesehen war. Der Rest wäre, sofern das Programm ordnungsgemäss beendet worden wäre, aus Kassen des Rettungsfonds EFSF, des Internationalen Währungsfonds (IWF) und aus EZB-Gewinnen mit Griechenland-Anleihen geflossen.

Der 30. Juni ist aber auch der letzte Termin, an dem Griechenland in diesem Monat fällige Kreditrückzahlungen von 1,6 Milliarden Euro an den IWF leisten muss.

Zahlungsausfall beim IWF:

Unmittelbar würde der Fonds das Land zunächst mahnen, seine Schulden unverzüglich zu begleichen. Die Regierung in Athen hätte bis auf Weiteres keinen Zugang zu weiteren Ressourcen des Fonds. Dabei sind noch knapp 19 Mrd. Dollar (16,96 Mrd. Euro) eines bis März 2016 laufenden IWF-Hilfsprogramms «in der Pipeline», die in den kommenden Monaten zur Auszahlung anstünden.Nach zwei Wochen würde die IWF-Führung gegenüber dem zuständigen IWF-Gouverneur des Landes - derzeit Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis - noch einmal deutlich machen, wie ernst die Lage ist.Nach einem Monat würde IWF-Chefin Christine Lagarde dann den Vorstand des Fonds (Executive Board) offiziell über einen Zahlungsverzug unterrichten.Nach zwei Monaten dann würde Lagarde dem Board eine offizielle Beschwerde wegen des Zahlungsverzugs übermitteln.Erst nach drei Monaten steht dann die Veröffentlichung einer formellen Erklärung des IWF an. Darin wird festgestellt, dass Griechenland von jeglichen Hilfen und Rückgriffen auf IWF-Mittel abgeschnitten sein wird - bis die versäumten Zahlungsverpflichtungen erfüllt sind. Langfristig droht dem Land am Ende dieses Prozesses - nach bis zu 18 Monaten - ein Entzug seiner IWF-Stimmrechte und nach bis zu 24 Monaten ein Verfahren zum Ausschluss aus dem Fonds. (sda)

Wie es in den nächsten Wochen weitergeht:

30. Juni: Das derzeitige Hilfsprogramm für Griechenland auf europäischer Ebene läuft aus. Athen muss die fällige Rate von rund 1,6 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington zahlen. Wenn die Frist dort um Mitternacht abläuft, ist es in Berlin 06:00 Uhr morgens (1. Juli).

1. Juli: Bei seiner nächsten regulären Sitzung wird der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) wieder ausführlich über Griechenland beraten. Am Sonntag hatte die EZB die Notkredite («Emergency Liquidity Assistance«/Ela) für griechische Banken auf dem aktuellen Stand von rund 90 Milliarden Euro eingefroren.

5. Juli: Die Griechen sollen in einem Referendum über das von den Geldgebern vorgelegte Spar- und Reformpaket abstimmen.

6. Juli: Frühestens am Tag nach der Volksabstimmung könnten Griechenlands Banken und die Börse in Athen wieder öffnen.

10. Juli: Griechische Staatspapiere mit kurzen Laufzeiten (T-Bills) in Höhe von 2 Milliarden Euro werden fällig und müssten durch neue abgelöst werden. Dieser Termin ist vor allem für das Urteil der Ratingagenturen wichtig.

13. Juli: Athen muss eine weitere Rate von knapp 500 Millionen Euro an den IWF zurückzahlen.

17. Juli: Weitere T-Bills in Höhe von einer Milliarde Euro werden fällig.

20. Juli: Athen muss insgesamt rund 3,5 Milliarden Euro an die Europäische Zentralbank zurückzahlen. Sollte diese Zahlung ausfallen, dürfte es der EZB laut Experten kaum noch möglich sein, weiter Ela-Kredite an griechische Banken zu vergeben.

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