Wie Europa Probleme bei der Erdgasversorgung im Winter vermeiden kann

Um Ausfälle beim Erdgas zu vermeiden, sollte Europa eine Reform des ukrainischen Erdgassektors unterstützen

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Europa steht im kommenden Winter eine weitere, sehr problematische Erdgasknappheit bevor, wenn der Disput über Erdgaspreise zwischen Russland und der Ukraine nicht beigelegt wird. Die EU versucht eine Einigung zwischen Russland und der Ukraine auszuhandeln, um eine weitere Erdgaskrise nach 2009 zu verhindern, in der die russische Erdgasversorgung nach Europa durch die Ukraine unterbrochen wurde. Im Juni 2014 hat Russland die Erdgasversorgung von ukrainischen Konsumenten wegen eines Zahlungsstreits abgeschaltet. Der Energieexperte des ECFR Chi-Kong Chyong warnt, dass, wenn nicht bald eine Lösung gefunden wird, die Ukraine dazu gezwungen sein könnte russisches Erdgas abzuzweigen, das für Europa bestimmt ist, um die eigenen Bürger zu versorgen. Seiner Meinung nach hängt es von mehreren Faktoren ab, ob Europa eine weitere Erdgaskrise bevorsteht:

  • Die Fähigkeit der Ukraine Erdgas aus Zentraleuropa zu importieren
  • Wieviel Erdgas die Ukraine in Speichern angesammelt hat
  • Zusätzliche Erdgasversorgung aus Russland, als Teil eines möglichen Interimsübereinkommens vermittelt durch die EU
  • Russlands alternative Pipelines nach Europa, die die Ukraine umgehen

Die drohende Krise demonstriert Europas Abhängigkeit von russischem Erdgas und das Quasi-Monopol der Ukraine auf den Erdgastransit nach Europa. Wenn Russland die Lieferung an die Ukraine einschränkt oder abschaltet, wird das zum europäischen Problem, da die Ukraine dann russisches Erdgas abzweigt, das für den europäischen Markt bestimmt ist.

Chi Kong Chyong empfiehlt, dass Europa die Ukraine zur Reform ihres Erdgasmarktes drängen sollte, um die Gefahr von Energieausfällen in EU Mitgliedsstaaten auf längere Sicht zu bannen. Sein ECFR Policy Brief „Why Europe Should Support Reform of the Ukrainian Gas Market“ argumentiert, dass die derzeitige politische Krise eine Chance darstellt, die Energiesicherheit der Ukraine und Europas zu verbessern. Die Integration der Ukraine in den Erdgasbinnenmarkt der EU würde die Wichtigkeit des Gastransits für die ukrainische Wirtschaft senken und daher sowohl die ukrainischen als auch die europäischen Erdgasbeziehungen mit Russland entpolitisieren.

Chi Kong Chyong weist darauf hin, dass der Ukraine nun Speicherkapazitäten von vier Monaten fehlen und es daher notwendig sein könnte ab Mitte Januar die Transitpipelines der EU anzuzapfen. Moskau könnte dann wie schon 2009 die Lieferung von Erdgas nach Europa komplett stoppen. Manche europäischen Länder leiten Maßnahmen ein um Erdgas in die Ukraine zu exportieren, damit eine Energiekrise abgewendet werden kann, wenn Russland auch die europäische Versorgung abschaltet.

Die Ukraine könnte ihre Abhängigkeit von russischem Erdgas auf lange Sicht reduzieren, indem sie ihre eigenen Erdgasressourcen entwickelt und Erdgas aus Europa importiert. Auf kurze Sicht jedoch muss sie dringend ihre ineffiziente Preispolitik für Erdgas reformieren, was den Verbrauch von Industrie, Haushalten und Wärmeproduzenten verringern würde.

Einen wettbewerbsfähigen Energiemarkt in der Ukraine einzuführen würde auch:

  • den wirtschaftlichen Druck, den Russland durch seine Erdgasexportpolitik auf die Ukraine ausüben könnte, reduzieren.
  • dabei helfen die Spaltung der EU Mitgliedsstaaten aufgrund der EU Politik gegenüber Russland und der Ukraine zu überwinden.
  • den Energiehandel zwischen Europa und Russland zu entpolitisieren und normalisieren, ohne dass in Umgehungspipelines investiert werden muss.
  • der EU dabei helfen hochgesteckte Klimaschutzziele zu erreichen, indem Russlands Erdgas Teil von Europas Energiemix bleibt.

Chi Kong Chyong: “Russian gas will remain part of Europe’s energy mix in the medium term. Europe therefore needs depoliticised and commercially based gas relations with Russia and Ukraine. It needs to find a way to limit the spill-over from Ukraine’s battles with Russia over energy – and in particular to eliminate the danger of energy cut-offs to EU member states. Europeans should therefore press Ukraine to reform its gas market.”

Der European Council on Foreign Relations vertritt keine gemeinsamen Positionen. ECFR-Publikationen geben lediglich die Ansichten der einzelnen Autor:innen wieder.