Israel und die Siedlungsgebiete – Warum die EU weiter auf Differenzierung setzen muss

Die Zwei-Staaten-Lösung kann nur Erfolg haben, wenn die EU klar unterscheidet zwischen den Siedlungen auf besetztem Palästinensergebiet und Israel selbst

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Die EU und ihre Mitgliedstaaten müssen konsequent zwischen Israel in seinen international anerkannten Grenzen und den von Israel besetzten Siedlungsgebieten unterscheiden, fordert Hugh Lovatt in einem neuen Bericht. „Eine Zwei-Staatenlösung hat nur Aussicht auf Erfolg mit einer rechtlichen „Differenzierung“ zwischen Israels Grenzen bis 1967 und seinen Siedlungen im Westjordanland“, so Lovatt. Gleichzeitig kann die EU damit die Wirksamkeit ihrer Rechtsordnung unter Beweis stellen.

2017 hält Israel die palästinensischen Gebiete seit 50 Jahren besetzt. Alle europäischen Bemühungen den Nahost-Konflikt zu lösen sind bisher gescheitert. Mehr als 20 Jahre nach dem Start des Oslo-Friedensprozesses ist weiterhin keine Lösung in Sicht. Brüssels Ansatz bestand bisher vor allem darin, Israel Anreize zu schaffen auf Palästina zuzugehen. Vor drei Jahren hat die EU etwa eine „besondere privilegierte Partnerschaft“ für einen Friedensschluss in Aussicht gestellt. Doch die Anreize sind nicht an Bedingungen geknüpft. Daher vermitteln sie Israel, dass durch die Besetzung palästinensischer Gebiete keine negativen Konsequenzen zu befürchten sind.

Die EU sollte stärker auf Negativanreize gegenüber Israel setzen, um Israel von seinen Siedlungsaktivitäten abzuhalten. Mit der „Differenzierung“ hat Brüssel ein juristisches Mittel an der Hand, um den Druck auf Israel zu erhöhen.

Der Differenzierungsansatz bezieht sich darauf, Unternehmen und Institutionen aus den bilateralen Beziehungen mit Israel auszuschließen, die in den Siedlungen tätig sind. Diese rechtliche Mindestbestimmung genießt breite Unterstützung in den EU-Institutionen und Mitgliedstaaten, ohne dass sie in den letzten Jahren umfassend umgesetzt worden wäre.

Israel ist es bisher gelungen, die europäische Differenzierungspolitik auszuspielen. Etwa im Januar 2016, als Griechenland, Polen, Bulgarien und Ungarn auf Israels Hinwirken den Beschluss des Rates für Auswärtige Angelegenheiten zum Nahost-Friedensprozess abschwächten, der den Prozess der Differenzierung vorantreiben sollte. Deshalb muss die Forderung nach einer stärkeren Differenzierung beim Zusammenhalt der EU-Mitgliedstaaten ansetzen.

Die Mitgliedsstaaten müssen sich klar für eine rechtlich verbindliche Anwendung der Differenzierung aussprechen und sich Israels Desinformationskampagne entgegenstellen, die Europa einen Boykott israelischer Waren und Dienstleistungen unterstellt. Dafür braucht es eine gezielte Kommunikationsstrategie. Man muss den Israelis verdeutlichen, wieso Siedlerprodukte anders behandelt werden. Außerdem kann die EU damit klare Kante zeigen, dass die anhaltende Besetzung negative Auswirkungen auf die bilateralen Beziehungen mit Israel hat.

Die EU sollte den Prozess der Differenzierung schnellstmöglich und umfassend auf den Weg bringen und darauf hinwirken, dass diese im nationalen Recht umgesetzt wird. Die Mitgliedstaaten müssen europäischen Wirtschaftspartnern zudem klarmachen, welche rechtlichen, finanziellen, und rufschädigenden Risiken beim Handel mit Unternehmen aus den Siedlungen bestehen. Dies gilt insbesondere für den israelischen Bankensektor.

Der European Council on Foreign Relations vertritt keine gemeinsamen Positionen. ECFR-Publikationen geben lediglich die Ansichten der einzelnen Autor:innen wieder.