Europas Weg zurück zu mehr Einfluss

Die EU-Außenpolitik muss kritisch analysiert werden und eine realitätsnähere Ausrichtung bekommen

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Die EU-Außenpolitik braucht einen Realitätscheck

Laut einem neuen ECFR-Policy Brief muss die EU eine ehrliche Bewertung ihrer außenpolitischen Möglichkeiten vornehmen. Darauf aufbauend sollten Ziele für eine neue, realitätsnähere Außenpolitik definiert werden, hinter denen die Mitgliedstaaten vereint stehen.

Vor kurzem hat der Rat der Europäischen Union grünes Licht für die zweite Phase des von Frederica Mogherini angestoßenen Review-Prozesses einer umfassenden Strategie für die europäische Außenpolitik (EU Global Strategy) gegeben. Der ECFR unterstützt eine solche Evaluation – vielmehr hat er sie schon seit langer Zeit gefordert. In „The road back to European power“ bescheinigen Experten des ECFRs, dass die EU ihre Werte und Interessen immer noch effektiv verteidigen kann. Voraussetzung dafür ist aber ein realistischer Ansatz, der der neuen Mächtekonstellation im internationalen System Rechnung trägt.

Das neue Papier empfiehlt eine Priorisierung derjenigen Krisenherde, die Mogherinis Bericht mit Blick auf Europa als besonderes bedeutend einstuft. Demzufolge sollten Russland und der Ukrainekonflikt sowie die Krisen im Nahen Osten und in Nordafrika die Schwerpunkte der EU-Außenpolitik bilden. Auch die interne Schwäche der EU in Sachen Außenpolitik muss angegangen werden: das Problem der mal übereinstimmenden, mal widerstreitenden nationalen Interessen in außenpolitischen Fragen. Dafür wird die Einsetzung einer Gruppe von Vertretern der Mitgliedstaaten vorgeschlagen, die im Laufe des nächsten Jahres die Interessenkonstellationen in Europa zu den einzelnen Konflikten nachzeichnen soll.

Der Policy Brief hält auch eine Reihe von strukturellen und politischen Reformen für nötig:

  • Die EU braucht für jede Region eine Agenda, die Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit in den Mittelpunkt rückt, sodass die Europäische Strategie ein klar wertebasiertes Element erhält. Wenn mit Ländern kooperiert werden muss, die gegen diese Werte verstoßen, sollte die EU klar machen, dass sie das Verhalten keineswegs billigt und dass die Zusammenarbeit beschränkt ist.
  • Die EU sollte eine neue Arbeitsteilung in den transatlantischen Beziehungen anstreben, die darauf abzielt in sicherheitspolitischen Fragen eine ebenso zentrale Rolle wie die NATO einzunehmen. Dabei müssen auch die größeren EU-Mitgliedstaaten – allen voran Deutschland – mehr Verantwortung innerhalb der Verteidigungsallianz übernehmen.

Mit Blick auf die östliche Nachbarschaft und Russland empfiehlt das Papier:

  • Unterstützung der östlichen Nachbarn und die Förderung der sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit dieser Länder.
  • Gegenüber Russland sollte ein zweigleisiger Ansatz aus Sanktionen und Gesprächsbereitschaft gefahren werden. Es muss klar werden, dass Europa eine funktionierende, langfristige Beziehung zu Russland möchte, diese allerdings nicht die europäischen Werte unterwandern darf.

Hinsichtlich des Nahen Ostens und Nordafrikas raten die Autoren zu folgenden Maßnahmen:

  • Unterstützung regionaler Akteure, die Verantwortung in der Region übernehmen und ein auf Deeskalation abzielender Ansatz, sofern Europa damit einen Mehrwert schaffen kann.
  • Konzentration auf Staaten, in denen Europa etwas bewirken kann: D.h. Länder wie Jordanien, Libanon, Marokko und Tunesien, die bisher noch nicht so stark in die regionalen Krisen verwickelt sind und nicht weiter hinein gezogen werden sollten.

In Bezug auf Afrika schlägt das Papier die folgende Strategie vor:

  • Ausarbeitung der Rahmenbedingungen für eine EU-Afrika Sicherheitskooperation zum Umgang mit terroristischen Vereinigungen.
  • Die europäische Entwicklungshilfe sollte sich auf Krisenprävention sowie den Aufbau von Governancestrukturen und Rechtsstaatlichkeit in den fragilsten Staaten des Kontinents – Liberia, Sierra Leone und Guinea-Bissau – konzentrieren.

Susi Dennison, Co-Autorin von „The road back to European power“ und Co-Direktorin des ECFR European Power Programms:

„2003 galt Europa als Erfolgsgeschichte. Eine Bewertung, die sich in der bekannten Aussage ‚Europa war noch niemals zuvor so wohlhabend, so sicher und so frei‘ widerspiegelt. Der Rest der Welt schickte sich an diesem Modell nachzueifern und es hatte den Anschein, als würde sich die liberale Demokratie über den ganzen Globus verbreiten.“

„2015 ist von solchem Optimismus nichts mehr zu spüren. Unter der Last wirtschaftlicher und politischer Krisen ist die EU ängstlicher geworden und richtet ihrem Blick mehr ins Innere. Gleichzeitig flammen Konflikte rings um Europas Grenzen auf und politischen Entscheidungsträgern wird zunehmend bewusst, dass Europas Einfluss in der Welt mehr und mehr zwischen ihren Fingern zerrinnt.“

„Europas außenpolitische Strategie muss dieser neuen Realität Rechnung tragen. Wir können nicht damit fortfahren eine Führungsrolle in der Welt anzustreben, nur um jedes Mal aufs Neue mit der neuen Machtkonstellation im internationalen System konfrontiert zu werden.“

 

Mehr Publikationen des ECFR European Power Programms finden Sie auf der Homepage des Programms.

Der European Council on Foreign Relations vertritt keine gemeinsamen Positionen. ECFR-Publikationen geben lediglich die Ansichten der einzelnen Autor:innen wieder.