Die Wahlen in Tunesien und die Konsolidierung der Demokratie

Europa sollte eine Revision seiner Mittelmeerpolitik erwägen, um die Unterstützung für Tunesien zu priorisieren

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Die Parlamentswahlen am kommenden Sonntag, den 26. Oktober 2014, sind ein wichtiger Schritt nach vorn für Tunesien. Während in den meisten Ländern im Nahen und Mittleren Osten die Hoffnungen auf weitreichende, demokratische Reformen in Folge des Arabischen Frühlings nur noch gering sind, könnte in Tunesien tatsächlich noch ein echter Wandel zur Demokratie eintreten. Aber um die zarten, demokratischen Strukturen nach den Wahlen zu konsolidieren, wird das Land noch weitere Herausforderungen bewältigen müssen.

In einem neuen Policy Brief des European Council on Foreign Relations analysiert ECFR-Senior Policy Fellow Anthony Dworkin die notwendigen Schritte zu einer solchen Konsolidierung der Demokratie in dem nordafrikanischen Land. Er beschreibt, wie die Politiker des Landes nun beweisen müssen, dass sie eine funktionsfähige Regierung formen können. Eine zunehmende politische Polarisierung hat den demokratischen Wandel im letzten Jahr massiv gefährdet und darf sich auf keinen Fall fortsetzen. Zu den größten Herausforderungen der neuen Regierung zählt, wie sie mit den wirtschaftlichen Problemen und den Sicherheitsbedrohungen innerhalb des Landes umgeht. Denn es wäre absolut fatal, wenn sich der Eindruck innerhalb der tunesischen Bevölkerung vertiefen würde, dass die Demokratie die Lebensbedingungen für die meisten Menschen nur verschlechtert hat.

Laut Anthony Dworkin wäre eine schwache Wahlbeteiligung ein Warnsignal für die zunehmende politische Unzufriedenheit. Denn Tunesiens Staat braucht weiteren Wandel. Grundlegende Reformen der öffentlichen Verwaltung, der Sicherheitskräfte und des Rechtssystems sind durchzuführen, um den während der Revolution geschaffenen Erwartungen entsprechen zu können und Reformgegner nicht erstarken zu lassen.

Anthony Dworkin weist darauf hin, dass die EU großes Interesse an dem fortschreitenden Erfolg des tunesischen Experiments hat. Schließlich hat auch Deutschland im Rahmen der Transformationspartnerschaft mit Tunesien in den vergangenen Jahren besonderes Engagement gezeigt. Angesichts der derzeitigen negativen Tendenzen in der gesamten Region sollte Europa seine Mittelmeerpolitik revidieren. Die Unterstützung für Tunesien sollte ausgebaut und priorisiert werden, indem Europa:

  • Hilft sicherzustellen, dass die kurzfristig wirkenden Wirtschaftsreformen nicht vornehmlich ohnehin schon benachteiligte Bevölkerungsgruppen trifft,
  • Tunesien hilft, regionalen Terrorismus auf rechtsstaatlichere Weise zu bekämpfen,
  • Seine Anstrengungen intensiviert, Austauschprogramme (z.B. im Bildungsbereich) mit der tunesischen Bevölkerung zu fördern,
  • Investitionen bereitstellt, um Arbeitsplätze zu schaffen und Dienstleistungen zu verbessern,
  • Sich als verlässlicher Partner bei den Reformbemühungen anbietet.

Anthony Dworkin kommentiert: “Only by instilling real change among the old guard who still inhabit state institutions can Tunisia deliver on the aspirations that drove its people to revolution.

Der European Council on Foreign Relations vertritt keine gemeinsamen Positionen. ECFR-Publikationen geben lediglich die Ansichten der einzelnen Autor:innen wieder.