Armeniens strategische Kehrtwende

Eine Erklärung für Armeniens überraschende Hinwendung zu Russland

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Armeniens überraschende Entscheidung, ein geplantes Assoziierungsabkommen mit der EU aufzugeben, um stattdessen der von Russland geführten Zollunion beizutreten, hat einen Wechsel der strategischen Ausrichtung von West nach Ost zur Folge. Die Kehrtwende hat dazu geführt, dass die armenische Regierung nun als unaufrichtig wahrgenommen wird. Sie schwächt den Reformkurs und untergräbt die Glaubwürdigkeit der Reformer in der Regierung. Doch selbst wenn Armenien das Ziel, der Zollunion beizutreten, weiterhin mit Nachdruck verfolgt, werden gute Beziehungen zu Europa wichtig bleiben.

Sowohl Jerewan als auch Brüssel sind darum bemüht, auch nach der Entscheidung irgendeine Form von Beziehung aufrecht zu erhalten. Das derzeitige russische Machtbewusstsein lässt jedoch vermuten, dass Armenien zunehmend mit Druck aus Moskau konfrontiert wird, so dass noch weniger Spielraum bleibt. In einem neuen ECFR Policy Memo argumentiert Richard Giragosian, dass die EU Armeniens Grenzen als Partner anerkennen sollte und neue Wege finden muss, um das Land einzubinden.

Was wird Russland tun?

Armenien hat eine wichtige Gelegenheit verpasst, seine Verbindungen zu Europa zu vertiefen und ist nun dauerhaft von Russland abhängig. Gleichzeitig verschärft Moskau spürbar den bilateralen Druck und isoliert Armenien weiter.

Moskau hat nun möglicherweise Jerewans wachsende Rolle innerhalb westlicher Sicherheitsstrukturen im Visier. Nachdem es zunehmend ungeduldig mit der armenischen Zuwendung zu Verteidigungsreformen im westlichen Stil wurde, könnte Russland Jerewans Verteidigungsreform und Modernisierung begrenzen, indem es den enger werdenden Verbindungen zur NATO einen Riegel vorschiebt.

Was die EU tun kann

Die EU muss jetzt alternative Wege finden, um Armenien einzubinden. Dabei sollte sie für ihre Einschätzungen ein klareres Bild der Beschränkungen und Verpflichtungen des Landes zu Grunde legen.

„Sowohl Armenien als auch die EU müssen die Zerbrechlichkeit und Verletzlichkeit der Länder der Östlichen Partnerschaft als Tatsache anerkennen. Sie müssen einem wiedererstarkten Russland ins Auge sehen, das entschlossen zu sein scheint, Konfrontation vor Kooperation zu stellen und Konflikt vor Konsens.“ – Richard Giragosian

Diese Veröffentlichung ist Teil einer Publikationsreihe zu Ländern der Östlichen Partnerschaft nach dem Vilnius-Gipfel.

Download verwandter Publikationen:

Armenia’s Strategic U-turn (pdf)

Andrew Wilson – “Die ukrainische Revolution unterstützen”

Stanislav Secrieru – „Kann die Republik Moldau auf Europa-Kurs bleiben?“

Der European Council on Foreign Relations vertritt keine gemeinsamen Positionen. ECFR-Publikationen geben lediglich die Ansichten der einzelnen Autor:innen wieder.